Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zogen, wo noch eine einzelne Bananenschale lag.
Im Schlafzimmer stand eine Schublade des Ankleidetisches offen. Obendrauf waren ein zusammengerolltes Paar weiße Socken, ein gerahmtes Foto von Lou und seiner Frau bei der Hochzeit in Las Vegas, Lous Revolver samt Holster und der kleine Notizblock mit Bleistiftfach, den er immer in seiner Hemdtasche bei sich getragen hatte. Die ersten acht Seiten waren mit Notizen über einen Todesfall durch Ertrinken und eine Messerstecherei in einem schwarzen Nachtclub vollgekritzelt. Die nächsten paar Seiten waren herausgerissen worden. Kleine Fetzen hingen noch an den Drahtspiralen, und auf der nächsten unbeschriebenen Seite waren keine durchgedrückten Bleistiftspuren von der vorherigen.
In der Sockenlade fand ich eine Flasche Wodka und seine Extrawaffe »für alle Fälle«, ein alter Revolver vom Kaliber .32, mit abgewetztem Lauf, mit Klebeband umwickeltem Holzgriff und Seriennummern, die mit Säure weggeätzt und unlesbar gemacht worden waren. Ich klappte die Trommel heraus. Fünf der Kammern waren geladen, und die sechste war leer, unter dem Hahn.
Ich wollte den Revolver wieder in die Schublade legen, aber statt dessen schloß ich sie abrupt und steckte die Waffe in die Hosentasche.
Auf dem Weg nach draußen warf ich noch einen letzten Blick auf Lous Blut am Fußboden. Doobie Patout war am Rand mit einem Schuh reingetreten und hatte einen sauberen Abdruck seines Gummiabsatzes auf dem Holz hinterlassen.
Was für ein Abgang nach siebenunddreißig Jahren Polizeiarbeit, dachte ich. Ein Tod mit dem Gesicht nach unten in einer Mietwohnung über einer Garage, die nicht einmal den Standard einer Sozialwohnung hatte; und deine Kollegen schreiben dich als Säufer ab und latschen durch dein Blut.
Ich blickte noch einmal auf die verschmierten Buchstaben Sl. Was wolltest du uns damit mitteilen, Lou?
Als ich vor der Tür stand, schloß Doobie Patout hinter mir ab. Ein leuchtendes Rot breitete sich vom Horizont im Osten allmählich über den ganzen Himmel aus.
»Okay, ich glaube, so ist es abgelaufen, Doobie. Machen Sie damit, was Sie wollen«, sagte ich. »Jemand kam rein, hat Lou bewußtlos vorgefunden und die Wohnung durchsucht. Nachdem er ein paar Seiten aus Lous Notizblock gerissen hat, hat er Lou die Schrotflinte unters Kinn gehalten.«
»Wenn er die Bude zuerst durchsucht hat, dann hätte er auch Lous .357er gefunden, stimmt’s? Warum hat er nicht die genommen? Das ist das erste gewesen, was Ihnen aufgestoßen ist, Robicheaux.«
»Weil er sie in Lous Hand hätte legen müssen. Er wollte ihn nicht aufwecken. Mit der Flinte ging’s leichter.«
Er stierte mir in die Augen; dann wurde sein Blick trüb, ein Schleier senkte sich über seine Pupillen, und er blickte angestrengt auf einen Punkt knappe zwanzig Zentimeter rechts von meinem Gesicht in der Luft. Ein verwelkter Palmwedel auf dem kleinen Innenhof raschelte im warmen Morgenwind.
Es war Samstag, und ich mußte nicht ins Department, aber ich rief Rosie in dem Motel an, wo sie übernachtete, und erzählte ihr von Lous Tod.
Am Mittag desselben Tages kam Cholo Manelli in einem verbeulten feuerwehrroten Cadillac-Cabriolet auf der unbefestigten Straße am Bayou angefahren und parkte am Pier, als ich gerade zum Mittagessen hoch zum Haus wollte. Der Kotflügel vorne links war mit einem Schweißbrenner herausgetrennt worden, und das Loch sah wie eine leere Augenhöhle aus. Das Verdeck war heruntergekurbelt, und auf dem Rücksitz und in dem ein Stück geöffneten Kofferraum lagen gußeiserne Gartenmöbel, darunter ein Tisch mit Glasplatte und ein Strandsonnenschirm.
Er trug weiße Shorts und ein grünes Hawaiihemd, auf dem lauter rosa Flamingos waren. Er kniff die Augen unter seiner weißen Golfkappe zusammen, die er schräg in das eine Auge gezogen hatte, und blickte hoch zu mir. Als er grinste, sah ich, daß vorne ein Schneidezahn abgebrochen war. In der Lücke im Zahnfleisch klebte noch Blut.
»Ich wollt mich verabschieden«, sagte er. »Und Ihnen noch ein kleines Abschiedsgeschenk dalassen.«
»Wo geht’s hin, Cholo?«
»Na ja, vielleicht ein Weilchen nach Florida, da laß ich’s erst mal ruhig angehen. Vielleicht mach ich so’n Laden auf, wie Sie ihn da haben. Bißchen Hochseefischen, so Zeug. Hören Sie, können wir uns hier mal irgendwo kurz unterhalten?«
»Sicher. Gehen wir in den Laden.«
»Nein, Sie haben grad Kundschaft da, und ich hab ’n ziemliches Problem mit meiner Sprache. Ganz egal, was ich sag, es
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