Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Quatsch auszurichten ist auch nicht grad meine Stärke. Mein Hauptanliegen im Augenblick ist das Mädchen, das wir südlich der Stadt gefunden haben.«
»Ach ja? Was für ein Mädchen ist das?«
»Das ermordete Mädchen. Cherry LeBlanc.«
»Nie gehört. Muß mir wohl entgangen sein.«
Ich drehte mich zu ihm und blickte ihn an. Er sah ungerührt zum Fenster hinaus auf die vorbeihuschenden Eichen am Stadtrand und einen Verkaufsstand mit Wassermelonen und Erdbeeren am Straßenrand.
»Liest du die Lokalzeitungen nicht?« sagte ich.
»Ich hatte viel zu tun. Du sagst also, ich rede Quatsch, Dave?«
»Laß es mich mal so sagen, Feet. Wenn du dem Sheriff was zu sagen hast, dann tu es selbst.«
Er kniff sich in die Nase, schnaubte dann.
»Wir sind mal Freunde gewesen, Dave. Ist sogar möglich, daß ich dir mal einen kleinen Gefallen getan hab. Also sag ich’s euch noch mal im Klartext, dir und allen anderen Heinis hier vor Ort, die Bohnen in den Ohren haben. Das Ölgeschäft ist immer noch am Arsch, und euer Kaff pfeift auf dem letzten Loch. Wenn du meine offene Meinung hören willst, kriegt die Stadt alles, was sie verdient. Aber ich und diese ganzen Leute, die du da am See siehst –« Er zeigte aus dem Fenster. Durch einen Pecanhain, dessen Silhouetten sich vom Wasser her im flimmernden Licht abzeichneten, sah ich auf Kränen und Wagen montierte Kameras und Schauspieler in Uniformen der Konföderierten, die sich auf der Flucht vor imaginären Truppen der Union durchs flache Wasser am Uferrand schlugen. »Wir werden an die zehn Millionen Dollar in Lafayette und Iberia Parish lassen. Wenn sie den Namen Balboni hier nicht gerne hören, dann sag ihnen doch, daß wir mit unserem ganzen Kram auch gerne nach Mississippi gehen können. Du wirst sehen, auf wieviel Begeisterung das bei einigen dieser zurückgebliebenen Wichser in der Handelskammer stößt.«
»Willst du mir damit sagen, du bist in der Filmbranche?«
»Co-Produzent mit Michael Goldman. Was sagst du dazu?« Ich bog auf die unbefestigte Straße, die zwischen den Pecanbäumen hindurch zum See führte.
»Ich bin sicher, daß jeder dir viel Erfolg wünscht, Julie.«
»Als nächstes mache ich einen Baseball-Film. Willst du eine Rolle?« Er lächelte mich an.
»Ich glaube nicht, daß das mein Ding wäre.«
»Hey, Dave, nimm’s mir nicht krumm.« Auf seinem Gesicht war jetzt ein breites Grinsen. »Aber mein Hauptdarsteller sieht Tote aus der Vergangenheit draußen im Nebel, sein Liebchen ist für gewöhnlich um neun Uhr morgens voll auf Gras oder Pillen, und Mikey hat Magengeschwüre und ist als Jude irgendwie besessen vom Holocaust. Dave, ohne Scheiß, ganz ehrlich, ohne dir zu nahe treten zu wollen, mit deiner Vorgeschichte würdest du da echt gut reinpassen.«
Ich hielt neben einer kleinen hölzernen Wachkabine. Ein drahtiger Mann in Khakiuniform und Schirmmütze näherte sich dem Fenster auf der Fahrerseite. An seinem Hais hatte er eine weiße Narbe, deren Form an einen Hühnerfuß erinnerte.
»Wir bleiben in Kontakt, Feet«, sagte ich.
»Willst du dich nicht mal umsehen?«
»Adios, Partner«, sagte ich. Ich wartete, bis er die Tür geschlossen hatte, dann wendete ich im Unkraut und fuhr durch die Pecanbäume hindurch wieder zurück zur großen Straße. Das Spiegelbild der Sonne hüpfte auf meiner Motorhaube wie ein gelber Ballon.
Es war in meinem zweiten Jahr bei der Polizei von New Orleans passiert, als ich im French Quarter Streife ging und jemand einen mutmaßlichen Einbruch in der Dumaine Street meldete. Das verrostete Schloß am eisernen Tor war mit einer Eisenstange aufgehebelt worden, das Tor hing offen aus den Angeln. Weiter innen in dem schmalen Ziegelgang konnte ich Glasscherben sehen, wie winzige Rattenzähne, wo jemand die oben hängende Glühbirne zerschlagen hatte. Aber in dem Innenhof, wo der Gang mündete, war noch Licht, erfüllt von den schwankenden Schatten von Bananenstauden und Palmwedeln, und ein Baseballspiel, das in einem Radio- oder Fernsehgerät lief, drang an meine Ohren.
Ich ließ den Revolver aus dem Holster gleiten und bewegte mich an den kühlen Ziegeln entlang, durch eine Lache, wo sich Wasser sammelte, bis zum Eingang des Innenhofs, wo ein zweites gußeisernes Tor gähnend weit offenstand. Ich roch die feuchte Erde in den Blumenbeeten, die Minze, die hinten an einer Stuckmauer wuchs, die dicht wuchernden purpurroten Glyzinien, die von einem Ziegeldach hingen.
Dann roch ich ihn, noch bevor ich ihn sah, ein Geruch,
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