Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
wollten. Die sind hergekommen und haben sie mit nach Haus genommen.«
»Wissen Sie, wer die waren, wie sie hießen?«
»Die Sorte Männer hat keinen Namen. Die sind hier bloß mit ihren fetten Wagen vorgefahren, wenn sie mit Arbeiten fertig war, und das arme Mädchen ist da reingehüpft.«
»Verstehe. Okay, Jennifer, hier ist meine Karte mit meiner Telefonnummer. Würden Sie mich anrufen, wenn Ihnen noch etwas einfällt, das mir helfen könnte?«
»Mehr tu ich nich wissen. Einer alten Niggerfrau wie mir hätte die doch niemals den Namen von so ’nem reichen weißen Fatzke gesagt.«
»Was für ein weißer Mann?«
»Das sag ich Ihnen doch grade. Ich tu den nich kennen.«
»Tut mir leid, ich versteh Sie grad nicht recht.«
»Haben Sie Bohnen in den Ohren? Wo kommen Sie bloß her? Sie hat gesagt, da ist so’n reicher Weißer, der kann ihr helfen, daß sie die Beine nich mehr breitmachen muß. Das hat sie das letzte Mal gesagt, wo ich sie gesehen hab, grad bevor jemand diese schrecklichen Dinge mit dem jungen Ding gemacht hat. Mister, in dem Geschäft hat jeder Mann ein süßes Wort auf den Lippen, jeder Kerl tut so seine Art haben, damit er die Muschi in seinem Bett behalten kann und den Dollar in seiner Tasche.«
Sie schüttete den Eimer mit klarem Wasser auf die Scheibe, so daß es uns beide vollspritzte, dann stapfte sie schwer mit ihren Bürsten, Putzlumpen und dem leeren Eimer in die Gasse neben der Bar.
Regentropfen fielen durch den Eichenbaldachin, als ich den Bayou entlang auf der unbefestigten Straße zu meinem Haus fuhr. Im Sommer regnet es im Süden von Louisiana fast jeden Nachmittag. Von meiner Veranda aus konnte man gegen drei Uhr nachmittags mit schöner Regelmäßigkeit beobachten, wie sich die Wolken draußen über dem Golf so hoch und dräuend wie ein Gebirge auftürmten, woraufhin innerhalb von Minuten das Barometer fiel, die Luft mit einem Schlag abkühlte und nach Ozon und Waffenstahl und Fischlaich roch. Dann kam ein Südwind auf, der das Moos auf den toten Zypressen in der Marsch aufrichtete, die Rohrkolben im Bayou beugte und die Pecanbäume in meinem Vorgarten aufplusterte und zerzauste. Dann bewegte sich eine graue Regenwand aus dem Sumpf heraus, über die schwimmenden Inseln purpurner Hyazinthen im Bayou, über meinen Laden mit Angelzubehör und den kleinen Pier mit der Leinenmarkise, von wo aus ich Boote vermietete, und die Tropfen prasselten so laut auf meine Veranda wie Murmeln, die auf rostiges Blech fallen.
Ich parkte den Pickup unter den Pecanbäumen und rannte den Anstieg zur Eingangstreppe hoch. Mein Vater, ein Fallensteller und Ölfeldarbeiter, der hoch oben auf dem Förderkran gearbeitet hatte, auf dem sogenannten Affenbrett, hatte das Haus in der Zeit der Weltwirtschaftskrise aus Zypressen- und Eichenholz gebaut. Die Bretter in Wänden und Fußboden waren mit Nuten versehen und mit Holzstiften miteinander verbunden. In die Ritzen paßte keine Spielkarte. Mit den Jahren war das Holz nahezu schwarz geworden. Ich glaube, Gewehrkugeln wären daran abgeprallt.
Der Wagen meiner Frau war nicht da, aber durch die Fliegentür roch ich Shrimps, die auf dem Herd köchelten. Ich suchte nach Alafair, meiner Adoptivtochter, sah sie aber auch nicht. Dann bemerkte ich, daß die Pferdekoppel und der kleine Stall leer waren und daß Alafairs dreibeiniger Waschbär, Tripod, nicht in seinem Käfig auf den Kaninchenverschlägen war und auch nicht an der Kette, die es ihm gestattete, an einer zwischen zwei Baumstümpfen gespannten Wäscheleine entlangzutoben.
Ich wollte schon ins Haus, da hörte ich die Hufe ihres Pferdes im Laub auf der anderen Hausseite.
»Alafair?«
Keine Antwort.
»Alf, ich habe so das Gefühl, da tut jemand was, was eigentlich verboten ist.«
»Was denn, Dave?« sagte sie.
»Komm bitte hierher, und bring deine Freunde mit.«
Sie kam auf ihrem Appaloosa unter der Regenrinne hervorgeritten. Die Tennisschuhe, rosa Shorts und das T-Shirt waren triefend naß, und Wasser glänzte auf ihrer sonnengebräunten Haut. Sie grinste unter ihrem Strohhut.
»Alf, was ist letztesmal passiert, als du mit Tripod geritten bist?«
Sie blickte nachdenklich auf den Regen, der in die Bäume fiel. Tripod wand sich in ihren Händen. Er war ein prachtvoller Waschbär, mit silbermelierten Fellspitzen, einer schwarzen Gesichtsmaske und schwarzen Ringen am buschigen Schweif.
»Ich hab ihm gesagt, daß er das nie mehr nicht tun darf, Dave.«
»Nur ›nie mehr‹.«
»Nie mehr. Er wird es
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