Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
nicht. Ich geh wahrscheinlich später noch.«
Sie schwieg einen Augenblick.
»Hast du mit dem Sheriff geredet?« fragte sie.
»Da gibt’s eigentlich nicht viel zu reden. Der Typ könnte zwar Anzeige erstatten, aber das wird er bleiben lassen. Das ist denen einfach zu lästig, juristisch gegen einen Cop vorzugehen.«
Sie stellte die Beine wieder gerade und wischte sich gedankenverloren mit den Fingerspitzen übers Knie.
»Dave, ist da noch was anderes, etwas, das du mir verschweigst?«
»Der Kerl hat mir die Hand auf die Schulter gelegt, und ich wollte ihn in der Luft zerreißen. Vielleicht hätte ich’s auch getan, wenn so’n Kerl namens Manelli sich nicht vor mich gestellt hätte.«
Ich sah, wie ihre Brüste sich unter dem Oberteil hoben und senkten. Tief hinten im Bayou schleppte Batist hinter seinem Motorboot ein zweites her, und die Bugwellen klatschten die schwimmenden Hyazinthen gegen die Uferböschung. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und trat hinter mich. Sie massierte meine Schulter mit den Fingern. Ich spürte ihren Oberschenkel an meinem Rücken.
»New Iberia wird nie wieder der Ort sein, an dem wir aufgewachsen sind. So sind die Dinge halt«, sagte sie.
»Das bedeutet nicht, daß es mir gefallen muß.«
»Die Balboni-Familie ist lange Zeit hier gewesen. Das haben wir auch überlebt, oder etwa nicht? Die drehen ihren Film, und dann verschwinden sie wieder.«
»Es gibt zu viele, die beim Ausverkauf mitmachen wollen.«
»Ausverkauf von was?«
»Von allem, was Geld bringt. Rotbarsch und
sac-à-lait
für die Restaurants, Alligatoren für die Japaner. Sie lassen es zu, daß die Ölgesellschaften die Austernbänke vergiften und Kanäle durch die Marsch graben, was zur Folge hat, daß das Salzwasser Tausende von Quadratmeilen von Sumpfgebiet zerstört. Die gehen vor jedem auf die Knie, der ein Scheckheft hat.«
»Laß gut sein, Dave.«
»Ich denke, es würde eine Menge unserer Probleme lösen, wenn man drei Tage alle für vogelfrei erklären würde.«
»Sag dem Sheriff, was passiert ist. Laß es nicht nur so im Raum stehen.«
»Der macht sich wegen so ein paar Kerlen von der Handelskammer in die Hose, Bootsie. Eigentlich ist er ein guter Mann, aber das sind die Menschen, in deren Umgebung er den Großteil seines Lebens zugebracht hat.«
»Ich finde doch, daß du mit ihm reden solltest.«
»Okay, ich dusche jetzt, und dann werde ich ihn anrufen.«
»Du gehst nicht ins Büro?«
»Ich weiß noch nicht genau. Vielleicht später.«
Batist schaltete den Bootsmotor ab und ließ sich an den Pier treiben, bis das Boot gegen die aufgeschnittenen Reifen stieß, die wir an die Dockpfeiler genagelt hatten. Sein Hemd lag zusammengeknüllt neben ihm auf der Sitzplanke, und Schweißtropfen standen auf den schwarzen Schultern und der mächtigen Brust. Sein Schädel sah aus wie eine Kanonenkugel. Er grinste, im Mundwinkel eine unangezündete Zigarre.
Ich war dankbar für die Ablenkung.
»Bin vorne an der Kreuzung gewesen«, sagte er. »Ein Mann dort hat gesagt, du hast im Restaurant mit einem der Spaghettis den Boden gewischt.«
Danke, Batist, dachte ich.
Ich duschte so kalt, daß es mir fast den Atem nahm, zog mich um und fuhr zu dem Limonadenwerk unten am Vermilion River in Lafayette. Das zweistöckige Gebäude war alt, aus gelben Ziegeln gemauert und umringt von riesigen Eichen. Dahinter befand sich ein Parkplatz, der voller Lieferwagen stand, und eine Verladestation, wo ein Dutzend schwarzer Männer mit viel Getöse Limonadenkästen aus dem dunklen Gebäudeinnern heraustrugen und sie in den wartenden Lastern aufeinanderstellten. Ihre Körperkraft war unglaublich. Manche von ihnen nahmen ein halbes Dutzend Kästen auf einmal und hoben sie mit Leichtigkeit bis auf Augenhöhe. Ihre Muskeln hatten das Aussehen wassergegerbten schwarzen Gesteins.
Ich fragte einen von ihnen, wo ich Twinky Hebert Lemoyne finden konnte.
»Mr. Twinky ist hinten, im Büro. Aber Sie müssen schnell machen. Er will grad seine Tour beginnen«, sagte er.
»Er fährt selbst die Getränke aus?«
»Mr. Twinky macht alles selbst, Sir.«
Ich ging durch das Lager zu einem vollgerammelten Büro mit Fenster, dessen Tür bereits offenstand. Wände und Korktafeln waren vollgeklebt mit Lieferscheinen, alten Kirchenkalendern, ungerahmten Fotografien von Angestellten und Anglern, die dickbäuchige Breitmaulbarsche in ihren Händen hielten. Lemoynes Gesicht war rosig und wohlgeformt, die Augenbrauen sandfarben, das graue Haar an manchen
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