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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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blies einen Sprühregen an der Wasserlinie hoch in die Luft, die Fenster wackelten, und in den Bootsplanken unter meinen Beinen summten die Vibrationen des Motors im Rumpf. Ich blickte über die Schulter durch die Rückscheibe und sah Kelly über das Schandeck gebeugt. Sie stemmte sich mit einem großen Fischhaken gegen den Wassergrund; dann knirschte der Bootsrumpf auf einmal rückwärts durch den Sand, glitt aus dem Graben der Untiefe mitsamt einer gelbbraunen Sturzflut von Schlick und totem Schilf und kam wieder frei in der Strömung zu liegen.
    Elrod stand oben auf der Sandbank, die geballten Fäuste im Gefühl des Sieges über den Kopf erhoben.
    Ich nahm die Hand vom Gas und wollte zur Kajütentür hinaus, um an den Anker zu kommen.
    In genau dem Augenblick, wo der Regen mein bloßes Haupt traf und mich in die Augen stach, in dem Sekundenbruchteil, als ich über den Bayou blickte und den Mann in dem zerknautschten Fedora-Hut sah, der direkt neben einer Eiche kniete, das Gesicht im Schatten hinter dem Visier eines Jagdgewehrs, die Lederschlaufe nach Militärart um den Unterarm geschlungen, in diesem Augenblick wußte ich, daß ich dazu verdammt war, eine dieser Situationen zu durchleben, wo es immer zu spät sein wird. Ich wußte es, noch bevor ich schreien konnte, winken, ihm sagen, daß die Gestalt in dem Regenhut und dem Ragin’ Cajuns-T-Shirt mit meinem Namen auf dem Rücken nicht ich war. Dann blitzte die Gewehrmündung im Regen auf, und der Knall hallte über das Wasser und durch die Bauminseln. Die Kugel machte im Rücken von Kellys T-Shirt ein Loch von der Größe des Blütenblatts einer Rose und riß eine Austrittswunde in ihre Kehle, die mich an Wölfe erinnerte, die mit roten Mäulern durch den Wald rennen.

10
    Es war eine seltsame Woche, für mich ebenso wie für die Stadt. Kellys Tod brachte Journalisten aus dem ganzen Land nach New Iberia. Sie belegten alle Motels bis auf die letzte Kammer, mieteten jedes nur verfügbare Automobil in Lafayette und degradierten sowohl in schierer Masse als auch an technischer Ausrüstung die einheimischen kleinen Nachrichtenagenturen zur Bedeutungslosigkeit.
    Viele davon versuchten einfach nur, ihren Job zu tun. Aber da waren auch andere, die uns heimsuchten und die ein voyeuristisches Funkeln in den Augen hatten – wo ihre wahren Motive liegen und wie weit ihre Gefühlskälte reicht, das wissen sie selbst nicht.
    Ich besorgte mir eine Geheimnummer.
    Da war ein Geruch, der mir mit der Zeit immer strenger in die Nase stieg. Er beunruhigte mich. Er war da, wenn ich schlief, am späten Nachmittag, wenn die Sonne auf die eingestürzte Scheune an der rückwärtigen Seite unseres Grundstücks herunterbrannte. Am zweiten Tag nach Kellys Tod bemerkte ich es zum ersten Mal. Das war der Tag, an dem Elrod ihren Leichnam auf der Heimfahrt nach Kentucky begleitete, wo sie beerdigt werden sollte. Es war ein Geruch wie tote Ratten. Ich streute einen Beutel ungelöschten Kalk auf das Unkraut und die morschen Bretter, und der Geruch verschwand. Aber am nächsten Nachmittag war er wieder da, stärker als zuvor, so aggressiv wie die schmutzige Hand eines Fremden, die einem ins Gesicht gedrückt wird.
    Ich stellte den Ventilator aus unserem Schlafzimmer in ein Fenster an der Seite des Gebäudes, damit es die Luft von der Hausfront wegzog, aber nachts träumte ich dann von Truthahngeiern, die über einem Reisfeld mit tiefen Furchen kreisten, von sandigem Wind, der über die formlosen und verwesenden Konturen eines großen Tieres wehte, von Frauenhaar und Fingernägeln, die gegen die Innenseiten einer Metallkiste drückten.
    Am siebten Morgen wachte ich früh auf, ging im weichen blauen Licht am Ententeich vorbei, tränkte den ganzen Haufen von Brettern und rostigem Blech mit Benzin und zündete ihn an. Die Flammen schnappten wie ein riesiges rotschwarzes Handtuch gen Himmel, und eine Wassermokassinschlange, so dick wie mein Handgelenk, glitt zwischen den Brettern hervor und verschwand im Unkraut. Aus ihrem Maul ragte das Hinterteil einer noch unverdauten Ratte.
    Der Schütze hatte keine Spur hinterlassen, keine ausgeworfene Patronenhülse, keine verwertbaren Fingerabdrücke an dem Baumstamm, von wo er den Schuß abgegeben hatte. Auf dem Taschenmesser, das Rosie am Damm gefunden hatte, waren keine Abdrücke, wie sich herausstellte. Nahezu unsere gesamte Arbeit hatte sich als nutzlos erwiesen. Wir hatten keine Verdächtigen; unsere Theorien über die Tatmotive waren so zahlreich wie die

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