Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
verschlossen und kalt, in seinen Augen las sie nichts als Verachtung.

10
    Magnus sah sie durch den roten Vorhang. Der Schmerz war so groß, daß er fürchtete, daran zu ersticken. Während er sie beobachtete, verwandelte sein Schmerz sich in blanke Wut. Sie war schmutzig, ihr Haar hing ihr strähnig ins Gesicht, ihr Kleid war zerrissen, und dennoch wirkte sie stolz und unbeugsam.
    Bei Odin, er hatte sich nach ihr gesehnt, hatte beinahe jede Nacht von ihr geträumt. Sie ging ihm nicht aus dem Sinn: ihre weiße Haut, ihr Haar; wie sie zärtlich seinen Namen flüsterte. Doch sie war eine Betrügerin, hatte ihr böses Spiel mit ihm getrieben.
    Er hörte ihre leidenschaftliche Verteidigung, und der Schmerz war wieder da, nicht als Sehnsucht nach ihr, sondern als rasender Zorn. Sie hatte ihm Unrecht getan. Dafür mußte sie büßen, dafür würde sie leiden, und dafür würde er sorgen.
    Als er neben König Guthrum trat, glaubte er, sie würde in Ohnmacht sinken. Dann meinte er einen Funken der Freude in ihren Augen aufflackern zu sehen und Hoffnung ... nein, es waren Verblüffung und Haß. Vielleicht auch so etwas wie Schuldgefühl.
    Hatte sie Olav getötet?
    Er wollte es anfangs nicht glauben, hatte die Vorstellung als absurd zurückgewiesen. Doch es gab viele Zeugen, deren Worte den König und ihn überzeugten. Sie sprachen von Olavs Zuneigung zu dem kleinen Mädchen, von seiner Absicht, Zarabeth zu heiraten, um sie und das Kind zu versorgen und zu schützen; von seinem Wunsch, ihr seinen gesamten Besitz zu vererben, da er unter ihrem Bann stand. Waren das Beweise ihrer Schuld? Beweise dafür, daß sie Olav gegen seinen eigenen Sohn aufhetzte? Die meisten Menschen schienen davon überzeugt zu sein.
    Andererseits sprachen auch viele Zeugen von Zarabeths gutem Herzen, wie unermüdlich sie an Olavs Krankenlager gewacht hatte, und von ihrer Liebe zu ihrer kleinen Schwester. Immer wieder blickte er forschend zu Keith und Toki. Immer wieder ging er Zarabeths Aussage in Gedanken durch und blickte zu Toki hinüber. Die Frau hielt die Augen sittsam gesenkt, ihr Mund war ein schmaler Strich. Irgend etwas gefiel ihm nicht an ihr; von ihr ging Kälte und Mißgunst aus.
    Nicht, daß er Olavs Tod bedauerte. Er war froh darüber. Der Mann war nun nicht länger Zarabeths Ehemann, und Magnus konnte mit ihr machen, was ihm beliebte. Er war zur rechten Zeit gekommen, um sie zu holen. Er, den sie betrogen hatte, kam, um ihr das Leben zu retten; das entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Hätte er sich um einige Tage verspätet, hätte man sie bereits hingerichtet. Der Gedanke traf ihn wie ein Faustschlag in den Magen. Doch was nun auf ihn zukam, sollte ihm große Genugtuung bereiten. Sie würde die Strafe bekommen, die sie verdiente.
    In einem Augenblick der Erkenntnis gestand er sich ein, daß nicht die Tatsache ihres Giftmordes an ihrem Ehemann ihn mit diesem unbeschreiblichen Zorn erfüllte, der ihn beinahe um den Verstand brachte, sondern ihr Verrat an ihm. Ihn hatte sie gedemütigt, ihm hatte sie unerträgliche Schmerzen zugefügt.
    Am liebsten hätte er sich in seinen Rachegelüsten die Hände gerieben. Sie war am Leben, und der König hatte sie ihm ausgehändigt. Magnus hatte Keith das erforderliche Danegeld für Olavs Leben bezahlt, das nicht sonderlich hoch war, denn Keith schien seltsamerweise erleichtert zu sein, daß Zarabeth für ihre Untat nicht mit dem Tode bestraft wurde. Nur seine Frau Toki hatte kreischend Einwände erhoben. Zarabeth war nun seine Sklavin. Er konnte mit ihr tun und lassen, was ihm beliebte. Er dankte Guthrum erneut und trat auf sie zu. Er wollte die Angst in ihren Augen lesen, wollte sehen, wie sie vor ihm zurückwich, aus Furcht vor Strafe wegen der Lügen, die sie ihm aufgetischt hatte. Nun war sie ihm mit Haut und Haaren ausgeliefert. Er wollte sie erbleichen sehen; er wollte sie im Staub kriechen sehen. Doch zu seinem Erstaunen straffte sie die Schultern, stand stocksteif vor ihm, und dieser verfluchte Stolz umgab sie wie ein Schutzschild.
    Er blieb knapp vor ihr stehen und sagte leise: »Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Du gehörst mir. Wir stechen morgen in See.«
    Zarabeth fühlte, wie die Halle sich verdunkelte, der Fußboden hob sich ihr entgegen. Die Sinne drohten ihr zu schwinden. Sie kämpfte verzweifelt gegen die Ohnmacht an. Dann sah sie ihm ins Gesicht, sein geliebtes Gesicht, das sie im Herzen bewahrte seit dem ersten Morgen, an dem er sie angesprochen hatte. Sie würde ihm die

Weitere Kostenlose Bücher