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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Wahrheit erklären.
    »Mir ist Unrecht widerfahren, aber ich scheine daran nichts ändern zu können. Gut, ich komme mit dir.« Sie hatte nicht die Absicht, ihm zu danken, daß er ihr das Leben gerettet hatte. Sein Bericht an König Guthrum ließ sie in den Augen ihrer Richter nur noch schuldiger erscheinen.
    Magnus furchte die Stirn. Er hatte nicht erwartet, daß sie sich seinem Willen so rasch beugte.
    »Ich brauche meine Gewänder.«
    »Du bist zerlumpt, und du stinkst.«
    Sie nickte. »Richtig. Deshalb brauche ich meine Kleider und ein Bad und einen Kamm für mein Haar.«
    »Nein.«
    Sie wunderte sich nicht über seine Härte. Sie hatte lange mit Olav gelebt.
    Magnus hatte ihre Habe bereits aus Olavs Haus holen lassen, gegen Tokis schrille Proteste. Sie wollte die Gewänder verkaufen. Die elende Hure würde ohnehin sterben, hatte also keinen Anspruch auf ihre Habseligkeiten. Doch Horkel, ein Mann weniger Worte und von furchterregendem Aussehen, packte ungerührt Zarabeths Sachen in ein Bündel, ohne sich von der zeternden Frau beirren zu lassen.
    »Komm. Wir gehen auf mein Boot.«
    Sie verneigte sich vor König Guthrum und wandte sich zum Gehen. Dem alten Arnulf, dessen Gesicht vor Mißfallen zerfurcht war, warf sie einen letzten Blick zu. Toki warf ihr wütende Blicke zu, und Keith wirkte irgendwie erleichtert. Zarabeth kannte den Grund. Sie hatte große Lust, Toki mit bloßen Händen zu erwürgen, denn sie war die Mörderin. Nein, es gab keine Gerechtigkeit auf Erden. Zarabeth glaubte nicht, daß Toki für ihre Untat bestraft würde. Sie zweifelte auch daran, daß Toki von Gewissensbissen heimgesucht werden würde. Sie hatte gesiegt, und dennoch war sie voll Groll, weil Zarabeth nicht sterben mußte, wenigstens nicht durch den Richterspruch von König Guthrum.
    Zarabeth wartete, bis die Burg hinter ihnen lag, bevor sie zu sprechen begann: »Magnus, bitte, ich möchte dir alles erklären. Aber zuerst muß ich Lotti holen. Sie hat Angst vor Toki, sie wird ihr etwas antun. Ich weiß es. Bitte, ich muß das Kind holen.«
    Magnus ärgerte sich, daß diese zerlumpte, verdreckte Person noch immer nicht ihren Stolz verloren hatte, immer noch glaubte, ihn um den Finger wickeln zu können. Mit eisiger Stimme entgegnete er: »Nein. Das Kind bleibt bei seinem Bruder. Ich will es nicht bei mir haben.«
    Zarabeth zuckte bei seinen Worten zusammen. Sie hatte Magnus nicht für grausam gehalten. Es war ihr nicht in den Sinn gekommen, er könne ihr diese Bitte abschlagen. Wie töricht von ihr. Hätte sie je eine Sekunde geglaubt, er könne ein hilfloses Kind im Stich lassen, hätte sie ihm nie ihre Zuneigung geschenkt. Der Schmerz bohrte sich wie ein glühender Pfeil in ihr Herz. Sie mußte Lotti bekommen. Der Gedanke, das Kind nur eine Stunde länger bei Toki zu lassen, jagte ihr kalte Schauer den Rücken hinunter. Aber sie war eine Sklavin. Seine Sklavin. Ein Geschöpf ohne Rechte, ohne Freiheit. Sie mußte sich einen Plan ausdenken. Sie würde Lotti nicht Tokis Willkür überlassen.
    Schweigend trabte sie neben Magnus her und suchte nach den richtigen Worten, um ihn zu überzeugen. Sie mußte ihm alles erklären. Er mußte ihr glauben. Es war ein weiter Weg bis zum Hafen. Sie war müde und zitterte vor Erschöpfung. Sie brachte es nicht über sich, zu sagen, er möge nur einen kurzen Augenblick stehenbleiben. Ihr Magen war leer, sie hatte am Abend zuvor zum letzten Mal etwas gegessen. Die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel. Ihr wurde schwindelig. Doch sie durfte keine Schwäche zeigen. Nicht vor Magnus. Eher würde sie sterben.
    Magnus bemerkte, wie sie zurückblieb, verlangsamte jedoch nicht seine Schritte. Sie taumelte, raffte sich wieder auf, wischte sich mit der Hand über Stirn und Augen. Er zögerte, sie zu schlagen, da die Wucht seines Hiebes sie vermutlich töten würde. Er aber wollte sie lebendig.
    Als sie zurückblieb, drehte er sich nach ihr um. »Vorwärts. Ich kann meine Zeit nicht mit dir vertrödeln.«
    Die Sonne blendete, sie sah ihn verschwommen in der gleißenden Helle. Sie hob die Hand, ließ sie wieder sinken. Sie war sehr durstig. Ihre Zunge war geschwollen. Sie zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Noch einen Schritt, befahl sie sich, nur noch einen Schritt und dann vielleicht noch einen.
    Sie roch Wasser, den würzigen Geruch von Salz und Fisch. Die Seewind war nicht mehr weit. Sie schaffte es. Sie würde keine Schwäche zeigen. Und später würde sie
    Worte finden, um ihn von ihrer

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