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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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abschätzige Bemerkungen über ihn vergaß. Wer weiß, was da vorgefallen sein mag, schlimm kann es nicht gewesen sein, so wie er über sie redet, dachte sie stillvergnügt.
    Auch Jens Arne gefielen diese Treffen, Elias natürliche, zutrauliche Art taute etwas in ihm auf, das sonst wie eingefroren war, seine liebenswürdige, jungenhafte Seite, die er normalerweise nicht hochkommen ließ. Er wollte dominieren und kontrollieren,auch sich selbst legte er an die Kandare, selbst beim Dirigieren hasste er jede unbedachte Bewegung. Das war auch ein Schutz, um sich durch Musik nicht plötzlich von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen, nichts wäre ihm lächerlicher erschienen. Sogar seine Haare hielt er kurzgeschnitten, damit sie ihm nur ja nicht durcheinandergerieten.
    Bei so viel Selbstbeherrschung kam es schon vor, dass es ihn innerlich fröstelte oder er sich selbst anödete. Darum bevorzugte er wohl Verhältnisse mit exaltierten Frauen. An ihren Gefühlsausbrüchen konnte er sich weiden, sie lebten ihm eine Leidenschaftlichkeit vor, die zu zeigen er nicht gewillt war. Und sobald ihm das Getöse zu viel wurde, machte er Schluss, was ihm umso leichter fiel, als er diese Frauen insgeheim oder unbewusst verachtete: So ließ man sich einfach nicht gehen!
    Es gab aber etwas, was auch ihn aus dem Konzept zu bringen vermochte: echte Natürlichkeit. Das war es gewesen, was ihm an Dorle so gut gefallen hatte. Aber dann war sie ihm doch zu harmlos gewesen, eine hübsche Wiesenblume, die ihn nicht lange zu fesseln verstand. Jetzt faszinierte ihn Elia. Wie sie ihm da, aufgeweicht vom Regen, entgegengekommen war, das hatte ihn überrumpelt. Sich so geben zu können! So uneitel, so normal. Ausgerechnet Jens Arne, der sich schon unwohl fühlte, wenn sein Jackett eine Falte warf, bewunderte Elias Unbekümmertheit. Aber sie war nicht nur das nette Naturkind, sondern auch eine aufregende Künstlerin, ganz ohne Pose, bei ihr wirkte nichts aufgesetzt.
    Elia stellte sich auf jeden Dirigenten ein, aber wenn ihr etwas musikalisch gegen den Strich ging, ließ sie sich nicht unterbuttern, sondern diskutierte und kämpfte um eine Auslegung, die auch sie nachvollziehen konnte. Je häufiger das während der Arbeit passierte, desto mehr blieb sie auf der Hut. Daneben gab es Dirigenten, denen sie absolut und tief vertraute, in deren Hand sie wie Wachs war, selbst wenn sich ihre Auslegung einmal nicht mit ihrem eigenen Gefühl deckte. Zu ihnen gehörte nun auch Jens Arne Holsteen.
    Bei ihren Vorbereitungen zum ›Figaro‹ hatte sich Elia einiges weniger forciert vorgestellt, auch die Furcht der Gräfin, aber im Terzett des zweiten Aktes mit dem Grafen und Susanna flackerten jetzt ihre Koloraturen vor Angst, bis hinauf zum zweigestrichenen C, als Zeichen ihrer Verwirrung. Und Norbert Grainau als Graf verstand es nur allzu gut, diese Angst zu schüren, er ließ seinem männlichen Furor freien Lauf, er rollte mit den Augen und schien eine imaginäre Knute zu schwingen, wahrhaftig ein hünenhafter »Herrschaftsmensch«. Ganz so bedrohlich hatte sich Elia die Szene zwar nicht vorgestellt, aber Jens Arne Holsteen wollte sie so, und damit war die Angelegenheit für sie erledigt. Sie bekam nur ein wenig Mitleid mit der Gräfin, die einen solchen Machtmenschen liebte, und konnte Susanna gut verstehen, dass sie keine Lust hatte, von ihm vernascht zu werden. Eine Liebe, bei der die Frauen vor ihren Männern schlottern mussten, entsprach nicht ihrem Geschmack.
    Immerhin, Norbert Grainau war ein sehr bewusster, musikalischer Sänger, und als Liedersänger genoss er einen hervorragenden Ruf. Wahrscheinlich musste er sich da stark zurücknehmen und freute sich umso mehr, wenn er sich auf der Bühne einmal so richtig austoben durfte, dafür hatte Elia Verständnis. Mit Claire Milton, der Susanna, verstand sich Elia sehr gut. Sie war nicht nur eine ideale Besetzung, intelligent, schnell, temperamentvoll, sie besaß auch einen wunderbar britischen Sinn für Komik und scheuchte damit immer wieder Elia aus ihrer Trübsal auf.
    Als Elia wieder einmal recht vergnügt nach Hause kam, fasste sie sich ein Herz, Martina bei ihren Eltern anzurufen. Die Mutter nahm den Hörer ab: »Heute Morgen ist Martina fast erstickt, der Notarzt ist gerade noch rechtzeitig gekommen, jetzt ist sie im Krankenhaus.« Nichts als niederschmetternde Nachrichten. Irgendwo in einem Herzenswinkel hatte sich Elia doch noch Hoffnungen gemacht, die welkten jetzt hin wie verdurstende Blumen. Das

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