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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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Traurigste mochte sein:Martina war nicht mehr bereit, sich etwas vormachen zu lassen, sie hatte dem Arzt, als er sie beschwichtigen wollte, brüsk die Wahrheit auf den Kopf zugesagt und sich weitere, noch so gut gemeinte Lügen verbeten. Sie wollte die restliche Zeit bewusst erleben, dazu brauchte sie ihre letzten Kräfte – und Klarheit.
    Nach diesem Gespräch saß Elia lange wie betäubt neben dem Telefon. Schließlich nahm sie den Hörer wieder auf und wählte die Nummer von Carlos, nach nichts sehnte sie sich jetzt mehr als nach einem tröstenden Wort von ihm. Aber Carlos war nicht da, noch nicht, immer wieder vergaß Elia, was für Nachteulen die Spanier waren. Auch als er eine halbe Stunde später nicht antwortete, machte sich Elia keine Gedanken. Nach dem dritten Versuch verbiss sie sich in die Idee, ihn unbedingt erreichen zu müssen. Immer stärker überkam sie dabei das Gefühl, dass er zu Hause war. Er musste das Telefon hören, Elia kannte die Wohnung genau, selbst wenn er den Ton leiser stellte, schnarrte es noch laut genug, Carlos hatte gute Ohren. Welch ein scheußliches Gefühl, als bettle sie vergebens um Einlass.
    Carlos war da. Und er war nicht allein. Sie spürte eine zweite Anwesenheit neben ihm, sie wusste auch wo: in dem breiten Bett. Zitternd hoffte sie, dieses Spüren möchte sich nicht zum Bild verdichten, es gab Menschen, die so in die Ferne zu schauen vermochten, und sie hatte sie beneidet. Doch nun war sie zum ersten Mal froh, dass sich ihre Ahnungen, die auch sie in seltenen Augenblicken hatte, bei ihr nur durch das Fühlen vermittelten, nicht durch das Sehen. Unerträglich war es immer noch, schneeweiß, rabenschwarz, blutrot.
    Eine andere Szene kam ihr in den Sinn, die sie leibhaftig mit angesehen hatte: die bleiche Ministergattin, wie sie mit einer flinken Handbewegung, viel schneller, als Elia reagieren konnte, Carlos mit ihrem blütenweißen Taschentuch am Hals einen Blutstropfen abwischte. Blitzschnell und sehr vertraut.Mit einem Schlag, endlich, wurde Elia klar: Die beiden kannten sich schon lange! Einem fremden Mann gegenüber, gar noch einer aus der Ferne angestaunten Berühmtheit, nahm sich keine Frau, auch keine Dame, so etwas heraus. Und jetzt schlug sie ihre roten Krallen wieder in Carlos’ Fleisch!
    Mord aus Eifersucht, in der Oper ließ man sich da nicht lange bitten. Auch Elias Blut konnte vor Wut und Leidenschaft kochen, dennoch war ihr diese Sitte nie als nachahmenswert erschienen. Jetzt hätte sie mit Wonne ein Messer in den blassen Leib hineingerammt.
    Als Carlos einige Tage später anrief, sagte ihm Elia nichts von ihrem Verdacht, auch nicht, dass sie eine halbe Nacht verzweifelt bei ihm angerufen hatte. Selbst als er, betont launig, erzählte, das Nachtleben in Madrid bringe ihn noch ins Grab, schwieg sie: Ihre Liebesgeschichte durfte nicht am Telefon ein klägliches Ende finden. Bald würden sie sich wiedersehen, dann wollte Elia mit ihm sprechen und tatsächlich Schluss machen. Ach, vielleicht war das gar nicht mehr nötig und das Ende hatte sich schon von selbst eingestellt.
    In ihrem Kummer hatte sie einen mächtigen Beistand, keinen Heiligen, zum Glück, sondern einen Menschen: Mozart. Er wusste alles vom Leben und vom Sterben, er kannte die Gefühle der Menschen, ihre edelsten und ihre niederträchtigsten. In seine Musik tauchte Elia ein wie in einen reinigenden, kräftigenden Strom.
    Jens Arne Holsteen hatte mit diesem ›Figaro‹ die Sängerin Elia vollends für sich gewonnen. Und die Frau? Irgendetwas zwischen Elia und Carlos stimmte nicht mehr. Auch wenn Elia kein Wort darüber verlor, so schien ihm gerade dieses Schweigen verräterisch. Warum erzählte sie ihm nichts von Carlos, das wäre doch ganz normal gewesen? Sie bestand nicht einmal darauf, bei ihrer weiteren Zusammenarbeit unbedingt Carlos als Partner zu haben. Und ihre Niedergeschlagenheit, rührte die wirklich nur von der Krankheit der Freundin? Noch etwas hatte Jens Arne höchst zufrieden vermerkt:Sein stattliches Anwesen hatte auch auf Elia seine Wirkung nicht verfehlt.
    Bei ihrem nächsten Treffen lustwandelte er mit ihr noch einmal durch seine Latifundien, während die Abendsonne ihren Glanz über die milde Landschaft ergoss, über die herrlichen Rosen, die alten, geheimnisvollen Sorten, darunter dunkelblaue, fast schwarze, sie alle trugen prächtige Namen und dufteten und blühten betörend. Zu ihrem Entzücken entdeckte Elia in einem Gatter ein paar Schäfchen, so adrett, als seien sie

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