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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Foster vergessen.

13. Kapitel
    Trenance Cove, Cornwall, Dezember 1781
    I n der kleinen normannischen Kirche von Talland war es unangenehm feucht und kühl. Wenigstens regnet es, als hätte Petrus persönlich die Schleusen geöffnet, dachte Frederica grimmig und zog ihren Umhang um ihren Körper.
    »Warum sie ausgerechnet hier heiraten?«
    Frederica zuckte mit den Schultern, ohne ihren Vater anzusehen. Philipp Trenance hatte ihren eigenen Gedanken ausgesprochen. Mochte die alte Kirche in dem kleinen Dorf Talland im Sommer eine gewisse Romantik besitzen – heute war es in den alten Mauern einfach nur klamm und kalt.
    »Hoffentlich ist es bald vorbei«, flüsterte sie. »Ich möchte nach Hause.«
    Der angespannte Gesichtsausdruck ihres Vaters sagte ihr, dass auch er sich nicht wohl fühlte und so schnell wie möglich nach Trenance Cove zurückkehren wollte. Erst würden sie wohl oder übel den Empfang zu Ehren des Brautpaares in Linnley Park über sich ergehen lassen müssen. Frederica seufzte eine Spur zu laut. Prompt drehte sich Lady Seelwood aus der vorderen Bank mit missbilligend gerunzelter Stirn zu ihr um. Am liebsten hätte Frederica ihr die Zunge herausgestreckt, sie beherrschte sich jedoch und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Paar vor dem Altar zu.
    Der im Frühjahr festgelegte Termin der Vermählung zwischen George Linnley und Pamela Match hatte um drei Monate verschoben werden müssen. Die junge Braut war im August von einem heftigen Fieber und quälendem Husten heimgesucht worden. Wochenlang hatte man sogar um ihr Leben gebangt, wie Lady Esther bei ihren zahlreichen Besuchen in Trenance Cove jammernd und in aller Ausführlichkeit berichtet hatte. Frederica erschrak, als sie feststellte, dass sie ein sanftes Dahinscheiden ihrer Nebenbuhlerin durchaus nicht bedauern würde. Schnell hatte sie diese bösen Gedanken beiseitegeschoben und Pamela March einen freundlichen, aufmunternden Brief geschrieben, der ihr am Krankenbett vorgelesen worden war.
    Frederica musterte die schmächtige Gestalt der Braut. Durch die Krankheit war sie noch zierlicher geworden und wirkte in dem voluminösen, rüschenbesetzten Brautkleid aus cremefarbener Atlasseide wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen. Pamela reichte George Linnley, der mit stolz erhobenem Kinn neben ihr stand, lediglich bis zur Schulter. Kein Anflug einer gesunden Röte färbten ihre alabasterweißen Gesichtszüge, unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Eine Frau, die in den Männern sofort den Beschützerinstinkt weckt, dachte Frederica. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, für die meisten Männer wäre es von bedeutender Wichtigkeit, einer Frau gegenüber den Ritter längst vergangener Zeiten spielen zu können. Frederica verstand das nicht. Sie war in ihrem Leben bisher sehr gut allein zurechtgekommen, ebenso wie ihre Mutter. Bei dem Gedanken an Maureen bildete sich ein Kloß in ihrer Kehle. Immer noch tat die Erinnerung an ihr weiches Haar und den leichten Duft nach Lavendel, der sie stets umgeben hatte, weh, auch wenn die vergangenen Monate den Schmerz etwas gelindert hatten.
    »Was Mutter wohl zu der Heirat gesagt hätte?«, flüsterte sie ihrem Vater zu, was ihr einen erneuten zornigen Blick von Lady Seelwood einbrachte. Frederica sah, wie ihr Vater zusammenzuckte, und bereute sofort ihre Frage. Wie unachtsam und taktlos, ihn ausgerechnet bei einer Hochzeit an Maureen zu erinnern. Frederica hatte in ihrem Leben kein zweites Paar wie ihre Eltern getroffen, das sich in so inniger Liebe zugetan war. Philipp hatte Maureen mit allen Fasern seines Herzens geliebt, und ihr Tod hatte ein tiefes, nie mehr zu stopfendes Loch in sein Leben gerissen. So empfand es zumindest die siebzehnjährige Frederica, die in ihrem jungen Leben bisher nicht viele Liebespaare kennengelernt hatte. Sicher, in den Wochen in Schottland hatte Frederica einige Spannungen zwischen den Eltern bemerkt, einmal sogar einen richtigen Streit mitbekommen, ohne verstanden zu haben, was der Auslöser dieses heftigen Disputs gewesen war. Wahrscheinlich hatte ihr Vater nicht wollen, dass Maureen in Schottland blieb. War es aber nicht die Pflicht einer Tochter, ihrer Mutter in Krankheit und Leid beizustehen? Frederica seufzte ob dieses Gedankens. Wenn irgendjemand hätte ahnen können, dass Maureen selbst erkranken und sterben würde, wären weder sie noch Vater nach Cornwall zurückkehrt. Nun, daran war nichts mehr zu ändern. Das Einzige, was Frederica tun konnte, war zu versuchen, den Vater

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