Im Schatten des Dämons
sandfarbene Windjacke bis zum Kragen
geschlossen, trug Handschuhe — und noch immer die Plastiktüte als Maske.
Sie klebte am Gesicht. Der Mann
schwitzte, was kein Wunder war. Die Augen wirkten unheimlich.
Der... hat sich hier eingeschlichen,
schoß es Gaby durchs Hirn, als wir drüben waren. Ja, Julias Tür stand offen.
Unten konnte er nicht durch. Da lauerte Dotz mit dem Gewehr. Also ist er
umgekehrt, der Verbrecher, und — hat sich im Eßraum versteckt.
„Bitte!“ keuchte Julia. „Wir... wir
schreien nicht.“
„Hätte sowieso keinen Sinn.“ Gaby
versuchte, ihrer Stimme Halt zu geben. „Die Polizei ist gerade weggefahren. Sie
können abhauen.“
Der Maskierte machte schnelle Schritte
in Richtung Diele — aber nur, um den Weg abzuschneiden.
Gaby stellte fest, daß der Kerl
hochgewachsen war — und schlank.
Mein Gott! dachte sie. Mir wird schlecht.
Ich habe Butterknie. Dieser Krampf macht mich fertig.
Sie sank auf einen der Sessel.
Aber das war dem Maskierten nicht
recht.
Mit energischer Geste bedeutete er den
beiden, aufzustehen.
Sie gehorchten.
Die nächste Geste scheuchte sie zum
Bad, das — trotz seiner Größe — kein Fenster hatte, nur eine gut
funktionierende Entlüftung.
Der Maskierte trieb die beiden hinein.
Er redet kein Wort, dachte Gaby. Ist er
stumm? Oder würde er sich durch seine Stimme verraten?
Er zog den innen steckenden Schlüssel
ab und warf die Tür zu.
Sie hörten, wie sie eingesperrt wurden.
Der Schlüssel knirschte im Schloß.
Gaby preßte sofort das Ohr an die Tür.
„Er ist in der Diele, Julia. Jetzt -
ja, jetzt schließt er die Eingangstür. Du, er hat sich verkrümelt.“
„Wirklich?“
Gaby horchte noch einmal an der Tür.
„Ja, er ist weg.“
„Und wie kommen wir raus?“
Die Tür war stabil.
Keine der zarten Schultern hätte
vermocht, sie aufzustoßen — selbst mit längerem Anlauf als es hier möglich war.
Gaby betrachtete das Schloß.
„Zum Glück ist es nicht wie bei einem
Safe. Es soll ja auch nur garantieren, daß man hier seine Ruhe hat. Hast du
einen Werkzeugkasten?
„Einen kleinen. Aber der ist in der
Besenkammer.“
„Eine Nagelfeile tut’s auch. Haben wir
die?“
Mehrere waren vorhanden — und auch nötig.
Denn beim Herausdrehen der
Türschloß-Schrauben brachen gleich zwei Feilen ab.
Es dauerte eine Weile.
Dann gelang die Befreiung.
Julia war so genervt, daß sie sich
gleich über den Eistee hermachte.
„Wir müssen die Polizei verständigen,
Gaby.“
Die nahm schon den Hörer ab und legte
ihn gleich wieder auf.
„Er hat das Kabel durchgeschnitten.“
Sie gingen hinaus auf den Flur und
klingelten bei Johanna Demschlag.
Die Nachbarin blickte durch den Spion,
bevor sie öffnete.
In ihrer Miene stritten sich Empörung
und Trauer.
„Eben stelle ich fest, dieser
schreckliche Verbrecher hat mir nicht nur das Geld gestohlen, sondern auch noch
den Ring meines verstorbenen Mannes.“
„Das ist besonders gemein. Uns hat der
Kerl obendrein noch eingesperrt. In meinem Eßzimmer hatte er sich versteckt.“
Julia berichtete.
Inzwischen telefonierte Gaby mit
Kommissar Kölbl.
Der behäbige Kommissar schluckte
betreten, als ihm sein Versäumnis bewußt wurde.
Zweifellos hätte er sämtliche Wohnungen
durchsuchen müssen und nicht nur die bis zur fünften Etage.
„Hinzu kommt“, sagte Gaby, „daß Frau
Demschlag auch einen Ring vermißt. Moment, Herr Kölbl, ich gebe sie Ihnen.“
Johanna nahm den Hörer.
„Ja, Herr Kommissar, es ist der
Brillantring, den ich meinem Mann zur Silberhochzeit geschenkt habe. Das war
vor 16 Jahren. Und neun davon ist Karl-Waldemar leider schon tot. Er hatte ein
zu schwaches Herz und regte sich immer gleich auf. Deshalb... Wie? Ja, ein
einkarätiger Brillantring. Breiter Reif aus Weißgold. Auf der Innenseite ist er
graviert.“ Sie zögerte, bevor sie verschämt hinzufügte: „Die Gravur lautet: In
inniger Liebe — Dein Hannchen.“
10. Zerstochene Reifen
Tim, Karl und Klößchen erfuhren erst am
nächsten Morgen — vor dem Unterricht in welche Bedrängnis Gaby und Julia
geraten waren.
Hinterher half kein Zähneknirschen und
Fäusteballen — bei Tim.
Gaby mußte, so gut sie konnte, den
Tüten-Maskierten beschreiben, was freilich niemanden klüger machte.
Auch die Verdachtsmomente, die Gaby
sich überlegt hatte, konnten zufällig sein und lieferten keinen Hinweis.
Zwischen Wut und Rachedurst dachte Tim:
Trotzdem ein Glück, daß es so glimpflich verlaufen ist. Unter
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