Im Schatten des Drachen
küsste, sog und knabberte verzweifelt an der Haut dort; dennoch wagte ich es nicht, die Augen zu öffnen, damit sie nicht sehen mussten, was da nicht war: der kleine Drache, den ich so unendlich vermisste.
Ob, wie und wo auch er mich berührte, nahm ich gar nicht wahr, blendete es einfach aus in meiner rasenden Sehnsucht. Ich reagierte nicht auf ihn, ignorierte seine Wünsche und verdammte seine Bedürfnisse, die nicht den meinen zu entsprechen schienen. Ich wollte es jetzt, und ich wollte alles - zu lange hatte sich mir das Schicksal mit höhnischer Grausamkeit entzogen, als dass ich mich der Versuchung jetzt ein weiteres Mal verweigern wollte.
Es war längst nicht mehr Paul, der unter mir lag. Meine Sehnsüchte brachen sich Bahn, trieben mich vor sich her wie ein losgerissenes Segel im Sturm, und verzweifelt versuchte ich, den gebrochenen Mast wieder aufzurichten und mich an ihm festzuklammern, während mein Schiff bereits gnadenlos zu kentern drohte. In all meiner Raserei hörte ich ihn laut keuchen und stöhnen, und ich glaubte schon, ich hätte uns beide um das Riff herumgebracht und könnte endlich meinen Anker werfen.
Doch ein letzter Impuls hielt mich zurück, und schließlich hörte ich seine im Kissen halb erstickten Rufe.
„No, Matty! Stop! Stop it! It hurts! I don’t want it! I can’t ...“
Mit einem Ruck kehrte ich in die Wirklichkeit zurück. Schwer atmend ließ ich von ihm ab und mich auf den Rücken fallen. Ein paar Augenblicke lang verharrten wir beide in völliger Reglosigkeit, bis ich den Mut und die Kraft fand, zu ihm hinüberzusehen. Ich hatte keine Ahnung, was in den letzten Minuten wirklich geschehen war, denn meine Sinne hatten komplett ausgesetzt. Ich befürchtete das Schlimmste. Er lag auf dem Bauch, völlig bloßgestrampelt, das hochrote Gesicht in die Kissen gepresst, während mein gesundes Bein noch halb über seinen Schenkeln lag. Sein Haar war zerwühlt, seine Handgelenke leicht gerötet. Ich hatte ihn fast vergewaltigt. Oh mein Gott.
Nach vielen Minuten betäubten Schweigens drehte er endlich den Kopf zu mir. In seinen Augen las ich Verwirrung, Ratlosigkeit und Enttäuschung. Das war das letzte, was ich ertragen konnte. Stumm vor Entsetzen über mich selbst warf ich mich wieder auf den Rücken, legte die Hand über die Augen. Was war da eben nur geschehen? Mit mir, in mir? Doch kein klarer Gedanke kam in meinen Kopf; da war nur schreiende Leere und Fassungslosigkeit.
Plötzlich spürte ich eine Berührung an meinem Arm. War er denn immer noch da? Ich hatte schwören können, dass ich vor einer Ewigkeit die Tür ins Schloss hatte fallen hören. Seine Stimme perlte wie Wasser an meiner glasharten Seele ab:
„I’m so sorry, Matty. Aber es sollte wohl nicht sein. Jedenfalls nicht jetzt, nicht heute. Ich war noch nicht soweit, und du auch nicht.“
Er verstummte, und ich rührte mich nicht. Lügen, alles Lügen. Vielleicht hatte er einen Softie erwartet und jetzt Beklemmungen gekriegt. Oder einen richtigen Kerl, der es ihm schnell und hart besorgte. Vielleicht hatte er meinen Stumpf gespürt, und der Ekel hatte ihn gepackt. Vielleicht hatte er auch Mitleid mit dem Krüppel bekommen, der ihn da besteigen wollte und nicht mal den eigenen Ständer hochbekam. Ich zwang die Tränen hinter meine Lider zurück und schluckte hart, um nicht aufschreien zu müssen.
Noch einmal hörte ich seine Stimme, die vor Verständnis und Zärtlichkeit nur so zu triefen schien.
„Es ist nichts passiert, Matty, du hast mir nichts getan. Aber du hast dich selbst verletzt, in dir, verstehst du? Ich weiß nicht, was zwischen Marc und dir geschehen ist, aber es muss schlimm gewesen sein, mehr als nur eine zerbrochene Liebe.“
„Es ist besser, wenn du jetzt gehst.“ Die Bitterkeit meiner Worte hatte ich schon einmal geschmeckt, das Gift ihrer Endgültigkeit schon einmal in meinen Venen gespürt.
Ohne ein Widerwort strich er mir mit der Hand ganz sacht über den Kopf, doch ich zuckte zurück und drehte mich abrupt weg. Schließlich glitt er aus dem Bett und zog sich an. Ich sah nicht zu ihm hinüber, sondern wartete reglos ab, dass sich die Tür endlich hinter ihm schloss. Ich wusste nicht, was mich mehr verzweifeln ließ: die Tatsache, dass ich ihn einfach vertrieb oder die Erkenntnis, dass er sich so einfach vertreiben ließ.
Bevor er auf den Gang trat, wandte er sich offenbar noch einmal um.
„Matty, ich bleibe gerne noch etwas länger Jungfrau. Für dich - wenn es dir hilft, einen Sinn zu
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