Im Schatten des Drachen
Freund - wenn du willst.“
Johannes wagte es nicht, den Blick vom Bildschirm zu heben und in die blauen Augen vor sich zu schauen. Zu groß war die Angst, darin eventuell doch die Lüge zu lesen, die sich hinter Marcs Worten verbergen mochte. Schließlich murmelte er:
„Ich wünschte wirklich, es wäre nicht so. Ich meine, ich wäre nicht so. Ich will darum keine Welle machen, weißt du. Es ist meine private Angelegenheit. Wer reden will, soll halt reden. Aber wenn du Schwierigkeiten bekommst, weil du mit mir zusammenwohnst, dann ...“
Hier brach er hilflos ab und blickte nun doch auf, schob die Entscheidung über ihre weitere Beziehung zu Marc, dem er sich eben bereits weiter anvertraut hatte, als je beabsichtigt gewesen war.
Der dunkle Lockenschopf näherte sich seinem Gesicht noch um ein paar Zentimeter, und Johannes konnte deutlich die dunklen Bartstoppeln auf Marcs Wange sehen. Die Vorstellung, einfach einmal mit dem Handrücken über diese Rauheit zu streichen, ließ sein Herz schneller schlagen. Wie von ferne klangen Marcs nächste Worte an sein Ohr.
„Du kannst mir vertrauen, dein Geheimnis ist bei mir sicher. Ich habe Spaß daran, mit dir zusammen zu sein, das möchte ich echt wegen so einem blöden Gerede nicht missen. Du musst mir nur eines versprechen: fass mich nicht an - jedenfalls nicht, wenn ich es nicht möchte, okay?“
Johannes war nicht klar, was Marc mit dieser nachgeschobenen Bemerkung meinte, und der nächste Satz, ein aufreizendes Flüstern unter dunklen Wimpern, brachte ihn völlig aus dem Konzept.
„... aber ich muss gestehen, im Moment hätte ich wirklich nichts dagegen, Jo.“
Mit einer scheuen, aber durchaus bewussten Geste legte Marc den Kopf zur Seite, öffnete leicht die Lippen und schloss die Augen. Trotz aller verwirrenden Zweifel entschied sich Johannes, das für ihn einzig Richtige zu tun: zaghaft beugte er sich vor und kostete von dem bittersüßen Aroma dieser warmen Lippen vor sich - ohne zu wissen, dass er sich damit hochgradig selbst vergiftete.
Der Kuss löste mehr Emotionen in mir aus, als ich eigentlich vertragen konnte, und als wir uns wieder voneinander lösten, brauchte ich eine ganze Weile, um mich zu sammeln. Paul wartete geduldig und reglos neben mir. Aus irgendeinem Grund hatte ich gespürt, dass das sein erster Kuss gewesen war - aber dafür war er verdammt gut gewesen. Und mir war auch klar, dass er mehr wollte. Und irgendwie wollte ich es jetzt auch.
Ich sah zu ihm auf, nahm sein Gesicht in meine Hand und strich ihm mit dem Daumen über die unrasierte Wange. Sein Blick war unstet, sein Lächeln ein bisschen ängstlich, aber er schmiegte sich vertrauensvoll in meine Berührung.
„Du bist noch Jungfrau, nicht wahr?“, fragte ich, bemüht, jede Andeutung von Herablassung oder Spott aus meiner Stimme zu verbannen. Mit welchem Recht sollte ich mich auch über ihn lustig machen?
Er küsste zärtlich meine Handfläche.
„Das weißt du doch, Matty.“
Natürlich wusste ich das. Plötzlich ließ er sich nach hinten fallen, legte seinen roten Schopf auf das schneeweiße Kissen und schaute mich unter halb geschlossenen Lidern sinnlich aufreizend an.
„Come on, Matty, zeig es mir. Zeig mir, was ihr miteinander gemacht habt, du und Marc.“
Der Klang dieses Namens aus seinem Mund ließ mich zusammenzucken. Aus dem ersten Impuls heraus wollte ich ihn korrigieren. Doch dann spürte ich es heiß durch mich hindurchschießen wie eine Feuersbrunst, gierig leckten die Flammen in meinem Innersten, fraßen alle Zweifel und Bedenken weg, die sich ihnen in den Weg stellten und waren im Grunde nicht mehr aufzuhalten. MARC. Ich brauchte nicht viel, um mir vorzustellen, dass statt der sommersprossigen Blässe im roten Lockenkranz unter mir kantig geschnittene Bräune unter schwarzer Strubbelmähne lag - das Blau der Augen war um eine winzige Nuance verschieden, aber das würde das diffuse Licht schon wettmachen.
Gierig griff ich zu, hielt sein Gesicht fest, während ich ihn küsste, ließ meine Zunge tief in seinen Mund und dann über seine Lippen und sein Kinn den Hals hinunterwandern, bis ich mich in einer seiner Brustwarzen verbiss, und er überrascht aufstöhnte. Meine Hände fuhren wie rasend über seinen Körper, als wollten sie alles gleichzeitig fühlen: die Weichheit seiner Haut über dem Bauchnabel, die Geschmeidigkeit seiner Halsmuskeln und die Härte seiner Schenkel. Ich wusste, wie nahe mein Gesicht jetzt seiner Schulter war, und ich
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