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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Rebeca schrill. »Wer ist hier unschuldig? Wer hier einkauft, der duldet, dass …«
    »Herrgott noch mal«, gab Victoria nicht minder schrill zurück und riss sich von ihr los. »Dass ihr euch nicht schämt! Ich trage unseren Kampf nicht auf dem Rücken schwangerer Frauen aus.«
    Rebeca hielt sie kein weiteres Mal auf, sondern rief ihr nur Flüche nach, als sie zu Aurelia hastete und sich zu ihr beugte. Deren Gesicht war noch schmerzverzerrter.
    »Hat dich jemand verletzt?«, fragte Victoria besorgt.
    Aurelia schüttelte den Kopf, aber im nächsten Augenblick kam ihr ein kläglicher Schrei über die Lippen.
    »Du hast schreckliche Schmerzen, nicht wahr? Wo genau?«
    Zu ihrer Überraschung beugte sich plötzlich auch Jiacinto über die schwangere Aurelia. »Meinetwegen kann ich sie raustragen … dann ist sie in Sicherheit …«
    Er klang aufrichtig bestürzt, während Rebeca nicht mehr nur auf Victoria, sondern auch auf den Bruder fluchte. Immerhin griff sie nicht ein, als Victoria vorsichtig versuchte, Aurelia hochzuziehen. Erneut schrie sie auf, schriller als zuvor.
    »Es … es tut so weh …«
    »Aurelia, wir müssen dich herausbringen … wir müssen …« Victoria nickte Jiacinto zu. »Ja bitte, versuch es, du bist stark genug, sie zu tragen.«
    Ihr entging nicht, wie Alicia Jiacinto missbilligend musterte, aber es kam kein Einspruch über ihre Lippen, und auch Aurelia starrte ihn zwar mit weit aufgerissenen Augen an, wehrte sich jedoch nicht, als er sie um Knie und Schultern fasste, um sie hochzuheben. Ehe er sich aufrichten konnte, ließ lauter Lärm alle zusammenschrecken: Schüsse ertönten, lautes Krachen, Gebrüll und das Splittern von Glas.
    Victoria glaubte, ihr Kopf müsste platzen, und unwillkürlich krümmte sie sich und schlug sich die Hände auf die Ohren. Als sie sie wieder löste, hielt der Lärm an – und in ihn vermischte sich Rebecas hysterisches Lachen.
    »Wir können hier nicht mehr raus!«, schrie sie begeistert. »Die Polizei hat längst das Haus umstellt.«
    Und lachte weiter.
    Victoria stellte sich schützend vor Aurelia, während sich die aufrührerischen Männer nicht mehr damit begnügten, nur die Nähmaschinen umzukippen und die Stoffballen zu zerreißen. Manch einer von ihnen hatte Steine dabei und warf sie durch das Fenster, um möglichst viel Schaden anzurichten. Die Näherinnen liefen durcheinander oder duckten sich in den Ecken. Eine von ihnen war von einem Stein getroffen worden und hielt sich die Hand zitternd vor eine blutende Wunde. Victoria wäre am liebsten zu ihr gelaufen, um sich die Verletzung anzusehen, aber sie spürte, wie Aurelia ihre Hand umklammerte, und konnte sie unmöglich allein lassen.
    Im nächsten Augenblick duckte auch sie sich und schrie noch lauter als die schmerzgekrümmte Aurelia. Bis jetzt hatte man die Steine aus dem Fenster geworfen – nun fiel von draußen etwas hinein. Sie sah erst nur einen schwarzen Schatten, vernahm dann aber ein bedrohliches Prasseln, als ein brennendes Scheit auf die Stoffballen fiel. Erst sprühten nur Funken, dann loderte Feuer auf. Rauch stieg in die ohnehin schon stickige Luft.
    »Nun bring sie endlich raus!«, schrie sie Jiacinto an. Doch der schüttelte nur den Kopf und deutete mit dem Kinn auf das Gedränge vor der Treppe. Nie und nimmer würde er es schaffen, Aurelia durch diese Menschenmassen zu bringen.
    »Was sollen wir nur tun?«, rief Alicia ungewohnt panisch.
    Aurelia ächzte, und als Victoria sich zu ihr hockte, wurde ihre Ahnung, woher ihre Schmerzen rührten, zur Gewissheit.
    »Das Kind …«, rief Aurelia kläglich, »gütiger Himmel, das Kind kommt. Aber es ist zu früh … es ist sechs Wochen zu früh …«

    Aurelia konnte sich nicht erinnern, dass jemals etwas so weh getan hatte. Der Schmerz war zunächst noch zögerlich über sie gekommen, fiel dann aber immer heftiger aus. Er schien sich in ihrem Leib festzubeißen wie ein hungriges Tier, und als die Krämpfe kurz nachließen, spürte sie, wie etwas Warmes über ihre Schenkel lief – sie war nicht sicher, ob Wasser oder Blut. Obwohl die Wehen kurz nachgelassen hatten, verkrampfte sich ihr Körper. Zu früh, hallte es immer wieder in ihrem Kopf, es war doch viel zu früh! Sie zog die Beine an, als genügte das, um das Kind gewaltsam in sich zu behalten, doch dann kam der Schmerz zurück und begann willensstark darum zu ringen, dass sie es hergab.
    Es war ein ungleicher Kampf. Schon nach kurzer Zeit waren ihre Lippen wund gebissen und

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