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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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er?
    Victoria stand wie erstarrt, als langsam eine Ahnung in ihr reifte. Menschen hasteten an ihnen vorbei, beachteten sie jedoch nicht weiter. Inmitten der großen Welt gab es eine winzig kleine, in der nur sie lebte, ihn anstarrte, nach Fassung rang, den Schock zu verwinden suchte, ihm begegnet zu sein. Auch ihm, der bis jetzt einzig auf seine Suche nach den Wellingtons versessen war, schien aufzugehen, was für ein unglaublicher Zufall das war.
    »Victoria«, sprach er endlich ihren Namen aus, als erwachte er aus einem langen, tiefen Traum.
    Erst jetzt sah sie, was er in der Hand hielt – eine der Illustrierten, wie es sie hier an jeder Straßenecke zu kaufen gab und die sie auch bei Kate Wellington gesehen hatte. Aurelias Bild stach ihr in die Augen.
    »Was machst du hier, Jacob?«, fragte sie mit trockener Kehle.
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht mein Name. Ich bin kein Engländer. Ich bin lediglich der Sohn eines Engländers. Aber meine Mutter war Chilenin.«
    Er schluckte schwer. Die Worte schienen ihm Schmerzen zu bereiten.
    Auch Victoria konnte nichts mehr sagen. In ihren Ohren rauschte es. Obwohl sie für gewöhnlich eine starke Frau war, schwankte sie, als sich die vielen kleinen Mosaiksteinchen zu einem Ganzen zusammenfügten. Noch fehlte das Wesentliche. Noch war die vage Ahnung keine Gewissheit. Doch dann enthüllte sich die ganze Wahrheit.
    »Ich heiße nicht Jacob, ich heiße Tiago. Tiago Brown y Alvarados. Die Frau, die ich liebe, heißt Aurelia, und sie hat dieses Bild gemalt.«

35. Kapitel
    A ls Christopher Wellington mit Tino an diesem Abend von einem weiteren Ausflug auf Coney Island zurückkam, geriet er in einen heftigen Streit mit Kate. Während Tino vom Vergnügungspark schwärmte, konnte Christopher Wellington immer nur denselben Satz sagen: »Mir ist so schlecht.«
    Aurelia sah, wie Kate ihre Augen verdrehte, ehe sie zu zetern begann, dass ihm immer im entscheidenden Augenblick übel wurde. Einmal hatte er sich während einer Reise durch Europa mit Austern den Magen verdorben, obwohl sie ihm gründlich davon abgeraten hatte, auch nur eine zu essen. Als Folge mussten sie eine ganze Woche in Brest verbringen – eine eigentlich sehenswerte Stadt, in der es jedoch ununterbrochen geregnet hatte. Und morgen Abend nun war der große Empfang angesetzt. Wollte er etwa mit grünlichem Gesicht den Gästen vor die Füße spucken? »Und überhaupt – was hast du denn nur gegessen, dass dir so schlecht ist?«
    Christopher konnte nichts dazu sagen, aber aus Tinos aufgeregten Worten ging hervor, dass er weniger gegessen als vielmehr getrunken hatte – nämlich jede Menge Likör.
    »Der Likör ist grün gewesen!«, rief Tino begeistert.
    Aurelia musterte ihren Sohn. Seine Wangen waren ebenso rot wie die von Christopher, und auch wenn er im Gegensatz zu ihm des Redens mächtig war – ein wenig wirr kamen ihm die Worte schon über die Lippen. »Hast du etwa auch davon probiert?«, fragte sie besorgt.
    Tino schüttelte den Kopf. »Ich habe nur einen Schluck probiert – und der hat furchtbar eklig geschmeckt.«
    Diese Zurückhaltung hatte Christopher vermissen lassen. Nach dem Likör hatte er nicht nur unter Übelkeit, sondern auch unter Kopfschmerzen gelitten – und geglaubt, sie kurieren zu können, indem er noch ein Gläschen Scotch der Sorte Haig & Haig hinterhertrank.
    »Bist du wahnsinnig?«, schrie Kate.
    »Ich habe ihn doch als Highball zu mir genommen – also mit Soda vermischt!«
    »Und du glaubst ehrlich, dass deswegen weniger Alkohol darin sei?«
    Christopher grinste verstohlen, und Aurelia hatte ihn prompt im Verdacht, dass er sich nur zu diesem Alkoholexzess hatte hinreißen lassen, um seine Frau zu ärgern. Vielleicht hatte er auch viele seiner vermeintlichen Unfälle mit voller Absicht herbeigeführt.
    »Nun, du hast dich ja selbst bestraft!«, giftete Kate. »Morgen wird nur das feinste Essen serviert werden, und du wirst nichts davon runterbringen. Schildkrötensuppe, Rinderfilets …«
    »Hör auf, davon zu reden!«
    »Tafelenten, getrüffelte Rebhühner!«
    »Ich übergebe mich gleich …«
    »Wachteln in Aspik«, fuhr Kate erbarmungslos fort.
    Christopher floh vor ihrer schrillen Stimme. Er wankte zwar gehörig, aber irgendwie schaffte er es, die Treppe hochzusteigen, und Aurelia folgte ihm mit Tino, um den Jungen ins Bett zu bringen. Immer noch sprudelten aufgeregte Worte aus dessen Mund – wobei er von Christophers Provokationen noch beeindruckter schien als

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