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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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von den Attraktionen auf Coney Island – und obwohl Aurelia es ganz und gar nicht gutheißen konnte, dass sich der Erwachsene in Gegenwart eines Kindes betrank, freute sie sich doch, dass er den Tag genossen hatte und Christopher aufrichtig mochte – wie ihre Brüder oder Balthasar einmal mehr ein Mann, der den fehlenden Vater zumindest ein wenig ersetzen und dem Jungen etwas geben konnte, was sie ihm als Frau und Mutter schuldig bleiben musste, und sei es die Erfahrung, dass manch vermeintliches Abenteuer in Wahrheit nur eine Riesendummheit war.
    Es dauerte lange, bis er sich so weit beruhigt hatte, um sich ins Bett zu legen und einzuschlafen. Als Aurelia leise die Tür zu seinem Zimmer schloss, hörte sie auch von den übrigen Bewohnern kein Wort mehr. Christopher schnarchte wahrscheinlich schon tief und fest – und Kate schmollte.
    Aurelia atmete tief durch. Nach diesem langen Tag war die Ruhe, die sich über das eben noch so geschäftige Haus gelegt hatte, ungemein wohltuend.
    Während des ganzen Nachmittags waren die Dienstmädchen herumgehuscht, um das Haus mit Blumen zu dekorieren: Apfelblüten, Azaleen und vor allem Orchideen, die am teuersten waren. Wenn Kate nicht gerade mit schriller Stimme das Personal der Trägheit bezichtigte, hatte sie Aurelia mit allem Möglichen in den Ohren gelegen. Unter anderem hatte sie erst an diesem Morgen erfahren, dass der bekannte Theaterkritiker Alexander Woollcott sein Kommen zugesagt hatte.
    »Ein ganz eigenwilliger Zeitgenosse«, hatte sie hinzugefügt, »er erzählt jedem, ob der’s hören will oder nicht, dass er nach einer Mumpserkrankung impotent sei.«
    Auch Kate erzählte das nun jedem, ob der es hören wollte oder nicht.
    »Er wird gewiss über diesen Abend berichten!«, fügte sie stolz hinzu.
    »Ich dachte, er sei Theaterkritiker?«, fragte Aurelia.
    »Ach, die Welt ist doch ein einziges Theater, nicht wahr?«, rief Kate und erfreute sich sichtlich an der Hektik, die herrschte.
    Als sie endlich nicht mehr über Alexander Woollcotts Impotenz sprach, galt ihre ganze Aufmerksamkeit Aurelias Kleidung. Sie wollte ihr unbedingt ein prächtiges Gewand aufschwatzen, während Aurelia darauf bestand, dass sie in ihrem Leben genug schöne Kleider getragen hatte, die zwar allesamt elegant gewesen sein mochten, aber zugleich schrecklich unbequem. In Patagonien hatte sie nie anderes als Schwarz getragen – und auch hier stand dies einer Witwe doch am besten. Kate war anfangs unzufrieden gewesen, dann aber zu dem Schluss gekommen, dass auf diese Weise ein Hauch von Tragik Aurelia umwehen würde, der ihrem Fest eine ganz eigentümliche Note geben würde.
    Eben wollte Aurelia ihr schwarzes Kleid ablegen, um sich nach einer kurzen Abendtoilette selbst zu Bett zu begeben, aber dann entschied sie sich anders und trat nicht in ihr Schlafzimmer, sondern in den Raum, der morgen Abend der Mittelpunkt des Festes sein sollte: Er glich mehr einem Museum als einem Salon – so dicht gedrängt standen alle möglichen Artefakten nebeneinander. Von den anderen Mitbringseln der Wellingtonschen Reisen stach lediglich ihr Gemälde mit dem Namen Die Farben Chiles deutlich hervor.
    Aurelia trat darauf zu und unterdrückte ein Seufzen, als sie an die Rede dachte, die sie morgen Abend halten sollte – zumindest wenn es nach Kate ging. Sie hatte versucht, sich aufs mangelhafte Englisch herauszureden, doch Kate war nicht entgangen, dass sie die Sprache recht brauchbar beherrschte, hatte sie im Haus der Familie Brown y Alvarados doch etliche Wörter gelernt, um William zu beeindrucken. Nun, William war das damals wohl herzlich egal gewesen, und heute wusste sie nicht recht – egal, ob auf Englisch oder Spanisch oder Deutsch, der dritten Sprache, die sie beherrschte –, was sie zu den Gästen der Wellingtons sagen sollte.
    Am schwersten fiel ihr die Entscheidung, ob sie diesen fremden Menschen überhaupt anvertrauen sollte, dass die beiden Menschen auf dem Bild Tiago und sie waren. Gewiss, Kate wusste von der Trauer um den Mann und fand allein darum ihr Gemälde außergewöhnlich, aber es war etwas anderes, Kate zuzuhören, wie sie sich irgendeine tragische Liebesgeschichte zusammensponn, als selbst den Namen ihres Liebsten auszusprechen.
    Ihre Liebe war doch etwas Intimes, Persönliches und gehörte nur ihr – wie konnte sie sie preisgeben? Allerdings wollte sie sich auch nicht neben ihr Bild stellen und verschweigen, dass ihre Sehnsucht nach Tiago den Anstoß gegeben hatte, es zu

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