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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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medizinische Karriere war schon das eine oder andere Mal ins Stocken geraten, weil nicht er, sondern einer der deutschen Ärzte den entsprechenden Posten bekommen hatte – ein Umstand, der in ihm tiefen Hass auf alles Deutsche gezüchtet hatte, ausgenommen Schwester Adela, die mit ihrer Willfährigkeit ihre Herkunft vergessen machte. Und nicht nur, dass ihm mancher Deutsche einen einflussreichen Posten weggeschnappt hatte – obendrein musste er zusehen, wie der Deutsche Verein in Santiago die Gründung eines eigenen Krankenhauses vorantrieb. So eines zu leiten war wiederum Ramiro Espinozas großer Lebenstraum, denn dann müsste er sich dank eines solchen Amtes nicht länger mit schwitzenden, stinkenden, blutenden Leibern abgeben, sondern würde eher den Rang eines Unternehmers einnehmen und als solcher in der Achtung von William Brown y Alvarados steigen.
    »Nun, dafür, dass sie mit Deutschen verwandt ist, kann sie nichts«, wandte Andrés ein – weniger, um Aurelia zu beschützen, als den Vater zu provozieren.
    »Es gibt so viele Dinge, für die wir nichts können. Und dennoch müssen wir sie ertragen!«, brach es wie erwartet aus Ramiro hervor, und prompt erging er sich in tausendfach gehörter Leier: dass er sein Leben lang hart gearbeitet hatte. Dass ihm nichts fehlte – weder Diplomatie noch Intelligenz noch Anpassungsfähigkeit, nur Geld. Oh, wenn er ein wenig Geld hätte, wenn William sich endlich darauf einließe, eine Stiftung zur Gründung eines eigenen Krankenhauses zu unterstützen – was könnte er nicht daraus machen! Aber William ziere sich – was wiederum bedeute, dass die Hoffnungen auf die nachfolgende Generation zu richten waren, Guillermo und Tiago. Und um sie zu werben sei wiederum Andrés’ Pflicht.
    Andrés wandte sich ab. So groß sein Spaß war, den Stachel in das Fleisch seines Vaters zu treiben – so schnell war er der Nörgelei überdrüssig. Er konnte es nicht mehr hören!
    Diese Besessenheit vom eigenen Krankenhaus und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Aufstieg war ihm selber fremd. Warum konnte sich sein Vater nicht mit dem begnügen, was er erreicht hatte? Und warum wollten alle mehr, als ihnen zustand … sein Vater Mitglied der Oberschicht zu sein, und Tiago Aurelia? Ramiro konnte sich doch in seiner Würde als Chefarzt sonnen und Tiago alle hochgeborenen Frauen der Stadt haben … Aurelia dagegen würde an seiner Seite glücklicher werden und er wiederum, wenn er in der Pathologie arbeiten konnte. Nein, er brauchte kein eigenes Krankenhaus, auch wenn sein Vater ganz selbstverständlich davon ausging, dass er diesen Traum teilte und vorantrieb.
    Andrés nutzte dessen kurze Pause, um sich unauffällig aus dem Staub zu machen, kam jedoch keinen Schritt weit.
    »Wohin willst du hin?«, fuhr Espinoza ihn an. »Ich sagte doch eben, du solltest jetzt an Tiagos Seite sein.«
    »Der will doch sicherlich mit Aurelia allein sein. Soll ich sie bei trauter Zweisamkeit stören?«
    »Sei nicht so dumm!«
    Andrés zuckte zusammen. Auch diesen Satz hatte er oft gehört. Sei nicht dumm … Stell dich nicht so an … Ich habe dich nach dem Tod deiner Mutter allein durchgebracht, das muss sich lohnen …
    »So dumm kann ich gar nicht sein, sonst hätte ich das Medizinstudium nicht geschafft«, erwiderte Andrés störrisch.
    »Natürlich sollst du sie nicht stören«, erklärte Ramiro. »Aber wenn die beiden auf die Idee kommen, Romeo und Julia zu spielen, musst du dich als verständnisvoller Vertrauter anbieten, verstehst du? Wenn diese Narren wirklich glauben, sie könnten ihre Liebe ertrotzen, wird ihnen alsbald ein scharfer Wind ins Gesicht wehen. Tiago wird dir nie vergessen, wenn du tröstend an seiner Seite stehst, selbst dann, wenn er Aurelia längst aufgeben muss.«
    Andrés unterdrückte ein Seufzen.
    »Nun mach schon! Zeig dein Bedauern über den schrecklichen Unfall! Wünsche Aurelia das Beste und erkläre Tiago, dass du stets für ihn da bist!«
    Immerhin – der Unfall war vielleicht sein Glück. Vielleicht war Aurelias Geist nach der Schussverletzung zu umnebelt, um sich noch an alles zu erinnern, was an diesem Tag passiert war.
    Andrés nickte ergeben.
    »Ach ja«, hielt Espinoza ihn auf. »Vielleicht können wir die Sache auch ein wenig beschleunigen … Versuch doch, Tiago den Floh ins Ohr zu setzen, dass er Aurelia baldmöglichst seinen Eltern vorstellt. So wie ich diesen Träumer einschätze, wird er es mit fliegenden Fahnen tun – und viel eher deines

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