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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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lebt«, stellte sie fest, »es geht ihr gut … aber mir nicht mehr lange, wenn ich hierbleiben muss. Die Luft ist ja zum Schneiden dick, und all diese Verletzten!« Sie wedelte ungehalten mit ihren Händen. »Komm, Pepe! Und du am besten auch, Victoria! Aurelia ist nur leicht verletzt worden, und jetzt ist Tiago bei ihr.«
    Victoria schüttelte den Kopf, sie konnte unmöglich gehen, ohne selbst Aurelia gesehen zu haben! Wie immer überließ Valentina die Entscheidung ihr, bedrängte sie nicht länger und war alsbald, auf Pepe gestützt, aus dem Gang verschwunden. Victoria, eben noch so entschlossen, wurde unsicher. Ja, sie wollte Aurelia sehen – aber sie konnte gerne darauf verzichten, Tiago vorgestellt zu werden. Obwohl er mit der Demonstration und der Schießerei nichts zu tun hatte, zürnte sie ihm dennoch – auch wenn sie nicht recht wusste, weshalb.
    Während sie noch mit sich rang, öffnete sich die Tür zu einem der Krankenzimmer, und heraus kam einer, mit dem sie hier am allerwenigsten gerechnet hatte: Doktor Ramiro Espinoza.
    Victoria riss die Augen auf.
    »Sie hier?«, entfuhr es ihr. Was trieb er bloß im Hospital San Vicente?
    Kurz sah es so aus, als würde er sie einfach ignorieren, dann murmelte er widerstrebend: »Sie sind mit Aurelia Hoffmann verwandt, nicht wahr? Tiago hat mich gebeten, nach ihr zu sehen. Ich bin ein Freund der Familie.«
    Sein letzter Satz klang nicht widerwillig, sondern stolz.
    Victoria runzelte die Stirn. »Welcher Familie?«
    Er antwortete nicht darauf, sondern beugte sich unwillkürlich zu ihr und zischte sie an: »Ich habe Sie durchschaut, Niña Hoffmann. Sie sind ein Störenfried, Sie haben an dieser Demonstration teilgenommen. Sie haben keinen Respekt vor Autoritäten, und Sie geben sich mit verbrecherischen Subjekten ab. So eine Krankenschwester kann ich in meinem Krankenhaus nicht brauchen.«
    Victoria straffte ihre Schultern. So erschöpft und ausgelaugt konnte sie gar nicht sein, dass sie einem Doktor Espinoza nicht zu trotzen vermochte.
    »Weisen Sie mir doch nach, dass auch ich bei dieser Demonstration war! Oder dass mir bei meiner Arbeit im Krankenhaus je ein Fehler unterlaufen wäre!«
    Er musterte sie abschätzig. Kurz kam sein Gesicht ihrem noch näher, dann wich er zurück.
    »Eine gute Krankenschwester zeichnet sich durch ihre Tugenden und Sittlichkeit aus … vergessen Sie das nie! Denn wenn Sie es vergessen sollten, und sei es nur für einen ganz kurzen Augenblick, dann kriegen Sie es mit mir zu tun! Sie haben recht, ich kann Ihnen kein Fehlverhalten nachweisen. Aber ich habe Geduld … viel Geduld. Irgendwann werden Sie nicht so ungeschoren davonkommen wie heute.«
    Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen. Nachdem er geendet hatte, schnaubte er verächtlich, ehe er sie ohne weiteres Wort stehen ließ. Victoria ballte unwillkürlich ihre Hände zu Fäusten und murmelte einen erstickten Fluch.
    Als sie sich umdrehte, sah sie einen Mann, der am Fenster lehnte und sie eindringlich musterte. Sofort fiel ihr seine Ähnlichkeit mit Ramiro Espinoza auf, nur dass dieser Mann nicht dessen starre Haltung hatte, sondern etwas gebückt dastand, die mausgrauen Haare dichter wuchsen, die Haut jedoch teigiger wirkte. Seine Augen waren ähnlich verächtlich auf sie gerichtet wie eben noch die von Doktor Espinoza. In Victoria regte sich kalte Wut.
    »Was glotzen Sie mich so an?«, rief sie.
    Er lächelte schmal, blieb aber ans Fenster gelehnt stehen.
    »Heute schützt Sie Ihre Verwandtschaft zu Aurelia. Allein deswegen wird mein Vater Sie nicht aus seinem Krankenhaus werfen. Aber glauben Sie mir: Bald schon wird Aurelia in Tiagos Leben keine Rolle mehr spielen. Seine Familie wird das nicht zulassen.«
    Victoria runzelte die Stirn. »All das Gerede um Tiagos Familie … was soll das?«
    Der Fremde lachte auf. »Sie wissen nicht, wer Tiago ist?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Tiago heißt mit Nachnamen Brown y Alvarados«, erklärte der Mann.
    Victoria erbleichte. Fassungslos starrte sie den Fremden an. Der deutete ihr Schweigen falsch und dachte wohl, dass Victoria sich darüber freute.
    Er löste sich vom Fenster und trat ähnlich drohend wie sein Vater auf sie zu. »Aber glauben Sie nicht, dass Ihre kleine Freundin ihn am Ende bekommt!«, raunte er.
    Mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen. Nun war es Victoria, die sich gegen die Wand lehnte.
    Brown y Alvarados …
    Aurelia musste den Verstand verloren haben, sich mit Tiago abzugeben!
    Ihre

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