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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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schmeckte diese weiche, süße Haut …
    Wut und Genuss, Hass und Gier vermengten sich.
    »Nicht …«, flehte sie, »… nicht!«
    »Nun hab dich nicht so! Du musst einsehen, dass ich es gut mit dir meine. Dass du mir vertrauen kannst.«
    »Andrés! Hör auf!«
    Ihr Widerstand heizte seine Erregung noch an. Doch als er abermals versuchen wollte, ihren Mund zu küssen, erstarrte er mitten in der Bewegung.
    »Was, zum Teufel, geht hier vor?«, ertönte hinter ihm eine Stimme.

    Die Wut schien in Tiagos Kopf förmlich zu explodieren, als er Andrés sah, der sich besitzergreifend über Aurelia gebeugt hatte. Er war der Freund und Vertraute seiner Kindertage, und sie standen sich immer nahe, nicht nur, weil sie so viel Zeit miteinander verbrachten, sondern weil Andrés unter seinem dominanten Vater ähnlich litt wie er, und überdies, weil er von einer anderen Welt erzählen konnte, die außerhalb seines düsteren Zuhauses wartete.
    Jetzt aber sah er einen Fremden vor sich – einen anmaßenden, dreisten Fremden. Rasend vor Zorn, stürzte er auf ihn zu. Noch ehe Andrés ihn überhaupt gesehen hatte, packte er ihn schon am Kragen, zog ihn zurück und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Andrés war so überrascht, dass er sich nicht einmal wehrte – Aurelia dagegen schrie angstvoll auf.
    »Nein bitte! Tu das nicht!«
    Ganz gleich, wie sie flehte – Tiago konnte nicht aufhören. Er schlug zwar nicht länger mit der Faust zu, sondern mit der flachen Hand, aber ihm fiel nichts anderes ein, was er der Ohnmacht entgegensetzen konnte – der Ohnmacht der letzten Tage, da er vor seinem Elternhaus auf und ab gegangen war und mit sich gekämpft hatte, zerrissen vom Wunsch, Versöhnung zu suchen, und vom Widerwillen, das dunkle Haus zu betreten und um das Verständnis seiner Eltern zu werben.
    »Tiago, hör auf!«
    Aurelias Stimme war schließlich doch befehlender als die kalte Flamme seiner Wut. Er ließ Andrés los, der prompt auf seine Knie sackte. Sein Gesicht war von roten Flecken übersät, sein Haar zerzaust. Schnell rappelte er sich auf, einen Ausdruck ehrlicher Bestürzung auf seinem Gesicht. Doch ehe er Tiago die Situation erklären, ehe er sich rechtfertigen und um Vergebung flehen konnte, sagte Tiago kalt zu Aurelia: »Pack deine Sachen! Wir verlassen noch heute das Haus.«
    Andrés’ Gesichtsausdruck wandelte sich. Nicht länger heischte er um Vergebung, blickte den Freund stattdessen halb spöttisch, halb nachsichtig an. »Ach ja?«, fragte er. »Und wohin wollt ihr dann gehen? So ganz ohne Geld?«
    Tiago sah an ihm vorbei. »Dass du es wagst …«, zischte er.
    »O nein!«, stritt Andrés den Vorwurf ab. »Ich bin hier nicht der Schuft! Du ziehst doch Aurelia in etwas hinein, was für sie niemals gut enden kann! Du machst ihr Versprechungen – und kannst ihr unmöglich eine Zukunft bieten.«
    »Ich habe sie geheiratet!«, schrie Tiago.
    »Ja, aber nur zivilrechtlich.«
    Tiago ballte seine Hand zur Faust und hätte ihn am liebsten wieder geschlagen. Nur mühsam beherrschte er sich. »Ich werde immer zu ihr stehen!«, rief er.
    »Wie du meinst«, gab Andrés nach. »Aber wohin willst du jetzt also gehen? Wovon willst du leben? Ha! Du bist von deinem Vater nicht minder abhängig als ich von meinem. Ich brauche seinen Respekt, du brauchst Williams Geld. Auch wenn du so tust, als könntest du dich ihm widersetzen – wer bist du denn, wenn er dir dein Leben nicht finanziert? Was hast du dir je erarbeitet? Ich … ich habe immerhin mein Studium abgeschlossen.«
    Tiago hob seine Faust, aber Aurelia ging dazwischen und legte beruhigend ihre Hand auf seine Brust. »Bitte, Tiago, bitte beruhige dich. Es ist alles ein Missverständnis, es ist im Grunde gar nichts passiert. Andrés ist doch dein Freund, und er hat recht: Wir können nicht einfach gehen, wohin sollen wir denn, und …«
    »Was ist passiert?«
    Alle drei zuckten zusammen, als plötzlich die strenge Stimme erklang. Ramiro Espinoza stand an der Türschwelle und blickte nachdenklich von einem zum anderen.
    »Dein Sohn vergreift sich an meiner Frau – das ist hier los«, sagte Tiago erbost.
    Er sah, wie Andrés zusammenzuckte und schuldbewusst den Blick senkte. Es war etwas anderes, ihm, Tiago, zu trotzen, als dem Vater. Tiagos Wut verrauchte, und stattdessen stieg Mitleid in ihm auf, gleiches Mitleid, das wohl auch Aurelia dazu brachte, vorzutreten und mit bebender Stimme zu erklären: »Ein Missverständnis … es war alles nur ein

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