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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Sachen Hygiene. Ich meine, wer ist besser geeignet, den Frauen zu zeigen, wie sie auf sich und ihre Kinder achten, wenn nicht ihresgleichen? Vor den arroganten Doktoren empfinden sie ja doch nur Scham – und die wiederum lassen sich gar nicht erst dazu herab, sie in den Armenvierteln zu besuchen. Genau das aber muss geschehen, um …«
    Rebeca hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Das weiß ich alles längst!«, meinte sie gelangweilt. Obwohl sie sich sehr kühl verhielt, hatten sie sich in den letzten Wochen dennoch wieder angenähert. Dass Victoria während der Ausschreitung nicht für sie eingetreten war, schien spätestens dann vergessen, als Victoria sich bereit erklärte, künftig nicht nur die Druckerpresse der Veliz’ für die Vervielfältigung von Flugzetteln zur Verfügung zu stellen, sondern obendrein für Druckerschwärze und Papier zu bezahlen.
    Victoria war zutiefst erleichtert, dass sich Rebeca nicht länger als feindselig erwies. Ein Wermutstropfen war nur, dass sie kein weiteres Mal mit Jiacinto hier im Hinterzimmer der Buchhandlung gestanden hatte. In den letzten Wochen hatte sie ihn zwar manchmal in der rauchgeschwängerten Wohnung der Carrizos getroffen, aber dort hatte er sie nie sonderlich beachtet. Und vor allem hatte sich ihr Kuss nicht wiederholt, obwohl Victoria sich so danach sehnte, des Nachts oft wach lag und wieder und wieder den Moment heraufbeschwor, da ihre Lippen sich getroffen hatten, ihre Zungen kurz verschmolzen waren, nicht das Trennende gezählt hatte, sondern die gemeinsame Leidenschaft für Politik.
    »Nun, aber hast du schon davon gehört, dass das Zentrum für Propaganda gegen Tuberkulose in Valparaíso einen Wettkampf organisiert hat?«, fragte sie. »Alle Mütter, die ihre Kinder selbst stillen, konnten sich anmelden, und wer die Ratschläge des Zentrums in Sachen Hygiene am besten befolgte, bekam einen Preis. Mehr als dreihundert haben teilgenommen, und von all den Kindern, die diese Mütter stillten, sind nur vier gestorben. Viel weniger als der Durchschnitt. Und das Zentrum hat offenbar auch Milchstationen gegründet, wo Ammen ihre Milch abgeben können und Mütter, die nicht stillen können …«
    »Genug jetzt!«, stöhnte Rebeca genervt. »Die ganze Woche muss ich mir das im Krankenhaus anhören! Warum soll ich mich auch sonntags damit beschäftigen?«
    Victoria blickte verwirrt hoch. »Weil du doch eine überzeugte Feministin bist! Du solltest davon überzeugt sein, dass Frauen in all ihren Lebensphasen unterstützt werden müssen. Wenn es um Frauen und Gesundheit geht, ist die Politik nur auf die Prostituierten und die Geschlechtskrankheiten fixiert. Aber das Thema ist so viel bedeutender. Man muss …«
    Erneut hob Rebeca die Hand, um ihren Redefluss zu unterbrechen. Sie stand auf und trat mit den üblichen katzenhaften Bewegungen zu Victoria. Sie stand so dicht bei ihr, dass Victoria von ihrem kurzen, schwarzen Haar gekitzelt wurde. »Ach, all diese Klagen über das Elend der Frau!«, sagte sie. »Magst ja recht haben, dass man ihnen hilft, wenn man erklärt, wie man sauber wird und sich sauber hält. Aber ich sage dir eins: Die Freiheit der Frau steht und fällt mit einer ganz bestimmten Sache, und die hat nichts mit Hygiene zu tun. Eine Frau wird erst dann Herrin über ihren Körper und somit ihr Leben sein, wenn sie entscheiden kann, wann sie ein Kind bekommt und wann nicht.«
    Victoria senkte ihren Blick. Sie wusste, dass radikale Feministinnen über die Möglichkeit von Empfängnisverhütung diskutierten, aber sie selbst hatte dieses Thema noch nie angesprochen – war es doch zu sehr mit Dingen verbunden, die selbst in ihrem liberalen Elternhaus nie offen ausgesprochen wurden.
    »Ich denke wie Clara de la Luz!«, ereiferte sich Rebeca. »Die Kirche und die Kapitalisten fördern die wilde Fortpflanzung des Proletariats – damit sie möglichst viele neue Arbeiter bekommen, die man ausbeuten und knechten kann. Mein Gott! Wenn man ein wenig Ahnung hat, ist es doch so einfach, keine Kinder zu kriegen.«
    Victoria senkte ihren Blick noch tiefer. Auch sie hatte, genau genommen, nicht viel Ahnung davon. Sie wusste, wie man Fruchtbarkeitstabellen benutzte, aber nicht, wie diese genau funktionierten. Und dann hatte sie von diesen sonderbaren Gegenständen aus Kautschuk gehört, die die Frau in ihren Körper schieben oder der Mann über sein Geschlecht ziehen sollte. Gesehen hatte sie sie allerdings noch nicht.
    Allein beim Gedanken stieg ihr Röte

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