Im Schatten des Fürsten
Schmerz ganz blass geworden war. »Tavi, ich kann sie nicht sehen«, sagte er verzweifelt. »Ich kann nicht … Sag mir, was geschieht.«
»Faede kämpft«, berichtete Tavi. »Miles ist verletzt, aber er lebt. Drei Canim sind gefallen.«
Killian stöhnte leise. »Dann sind weitere zehn hinter ihnen«, sagte er. »Ich habe sie vorhin gefühlt. Einer hat Miles das Bein aufgerissen, als er getroffen wurde. Biss ein letztes Mal zu, ehe er starb, und Miles ist gestürzt. Ich musste einspringen, bis er wieder auf den Beinen war. Es war dumm. Ich bin zu alt; wieso bilde ich mir ein, ich könnte bei diesem Unsinn noch mitmischen?«
»Zehn«, keuchte Tavi. Die Überraschung der Canim über Faedes plötzliches Erscheinen war verflogen, und nun bewegte sich der Sklave nicht mehr weiter voran, sondern tauschte mit einem Cane in tödlicher Geschwindigkeit Schwerthiebe.
Plötzlich setzte eine starke Luftbewegung von unten nach oben
ein, und darauf folgte ein ohrenbetäubender Knall, der den Stein unter den Füßen erbeben ließ.
»Verfluchte Krähen«, rief Tavi und stützte sich an der Wand ab. »Was war das?«
Killian neigte den Kopf und blickte mit blinden Augen ins Leere. »Feuerwirken«, erklärte er. »Ein starkes. Vielleicht im Gang oben an der Treppe.«
»Die Wache«, sagte Tavi, in dessen Brust wieder Hoffnung keimte. »Sie kommt!«
»Wir m-müssen durchhalten …«, sagte Killian. Dann sackte der Maestro in sich zusammen und wäre beinahe zu Boden gesunken.
Tavi fing den leichten Mann auf und fluchte. »Kitai!«, schrie er.
Sie kam, das Schwert in der Hand, sofort nach oben, und richtete den Blick auf den Kampf wenige Stufen über ihr. »Ist er tot?«
»Nein«, antwortete Tavi. »Nimm ihn mir ab. Bring ihn nach unten zu Max.«
Kitai nickte, steckte sich das Schwert in den Gurt und trug Killian mindestens ebenso mühelos, wie Tavi es getan hätte. »Augenblick mal«, hielt er sie zurück, schnitt sich noch einen Streifen Stoff vom Mantel und band damit den Tuchballen auf der Wunde fest. »Los«, sagte er schließlich, »geh, geh!«
Kitai nickte und sah ihm in die Augen. Sie wirkte besorgt. »Pass auf dich auf, Aleraner.«
»Bleib nicht zu lang unten«, erwiderte Tavi, und sie nickte erneut und stieg die Treppe hinunter.
Nun wandte sich Tavi dem Hauptmann zu. Miles hatte sich in eine sitzende Haltung hochgeschoben, lehnte mit dem Rücken an der Wand, hatte die Augen geschlossen und keuchte. Er sah so unglaublich erschöpft aus, seine Brust hob und senkte sich heftig, sein Gesicht war blutig, mit leerer Augenhöhle, eine schauerliche Maske. Außerdem war seine Miene trotz seiner Fähigkeiten als Wirker vor Schmerz verzerrt. Tavi kniete neben ihm, und Miles’
Schwertarm zuckte unwillkürlich. Die Klinge lag auf einmal an Tavis Kehle.
Tavi erstarrte, riss die Augen auf und sagte: »Ritter Miles, ich bin es, Tavi.«
Der verletzte Hauptmann öffnete sein Auge und blinzelte den Jungen benommen an. Das Schwert schwankte und kippte zur Seite. Die Gesichtswunden waren entsetzlich, aber sie würden den Hauptmann nicht umbringen. An manchen Stellen gerann das Blut bereits wieder. Das verletzte Bein hingegen sah viel übler aus. Der Cane hatte die Zähne tief in den Oberschenkel versenkt, knapp oberhalb des Knies, und dann hatte er das Fleisch aufgerissen. Tavi zog sich den Mantel aus, fertigte aus dem verbliebenen Stoff auch für den Hauptmann einen Druckverband und wickelte ihn stramm fest.
»Die Wache?«, murmelte Miles. Seine Stimme klang dünn. »Ist die Wache schon da?«
»Noch nicht«, antwortete Tavi.
»W-wer ist gekommen? Das ist ein alter Soldatenausdruck. Nach hinten raus - unten. Habe ich seit Jahren nicht gehört.« Er blinzelte Tavi mit einem Auge an und drehte den Kopf dann wie betrunken zu dem Kampf, der sich nur wenige Stufen weiter oben abspielte.
Miles erstarrte. Er riss das Auge auf, öffnete die Lippen und gab ein Winseln von sich. Er zitterte so heftig, dass Tavi, der gerade den Verband festknotete, es in den Händen spüren konnte. »Das ist …« Sein Gesicht verzog sich zu einer bizarren Grimasse. »Nein, das ist unmöglich. Er ist tot. Er starb mit Septimus. Sie sind alle mit Septimus gefallen.«
Faede duckte sich unter einem Hieb des Cane hindurch, der um Haaresbreite über ihn hinwegschwang, dann verstümmelte er dem Cane mit einer Abfolge von Schlägen den Waffenarm und schnitt ihm die Schnauze vom Kopf. Der Cane stürzte sich plötzlich auf ihn und wollte ihn mit der verbliebenen
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