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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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schwieg.
    Plötzlich fuhr sie herum und blitzte ihn böse an. »Ich habe bald Geburtstag. Dann bin ich achtzehn und habe noch nie geküsst.«
    »Ich auch nicht.«
    »Du bist erst fünfzehn, du hast noch Zeit. Aber ich bin dann schon fast eine alte Jungfer.«
    Moritz beteuerte wortreich, dass sie keine alte Jungfer sei, sondern ein junges Mädchen, und dass das mit dem Küssen bestimmt noch kommen werde.
    Beide schwiegen. Es war so still im Keller, dass Moritz die Gasblasen an der Oberfläche der Sauerkrautfässer platzen hörte.
    »Würdest du mich küssen?«, fragte Cäcilie.
    Moritz hatte das Gefühl, als habe man ihm gerade einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Dieses Angebot kam doch sehr plötzlich, da musste er erst überlegen. Wenn ich sie einmal küsse, wird sie immer mehr wollen, dachte er. Jette würde das bestimmt nicht gut finden. »Ich werde dich nicht küssen.«
    »Bin ich dir zu alt?«
    »Mein Bruder sagt, man verliebt sich, wenn man sich küsst. Ich will mich aber nicht in dich verlieben. Du wirst irgendwann einen reichen Mann heiraten, und dann sitze ich hier auf der Kellertreppe und bin todunglücklich.«
    Cäcilie seufzte laut und anhaltend. »Wenn es nach meiner Mutter geht, wird es wohl so kommen.« Sie überlegte einen Augenblick, dann schien sie einen Ausweg gefunden zu haben, denn ein spitzbübisches Lächeln breitete sich in ihrem Gesichtaus. »Du könntest Majordomo bei mir und meinem Gemahl werden, also Haushofmeister. Dann könnten wir uns häufig auf der Kellertreppe küssen. Und ich hätte einen Geliebten, wenn mein Mann auf der Börse ist.«
    »Nee«, sagte Moritz, »das ist vielleicht bei reichen Leuten so üblich, aber darauf lasse ich mich nicht ein. Ich möchte lieber eine Freundin haben, die ich auch woanders küssen kann.«
    Mit einem Satz war Cäcilie auf den Beinen. Sie stampfte heftig mit dem Fuß auf. »Wenn ich dir zu reich bin, dann kannst du meinetwegen die Kochfrau küssen. Oder das Hausmädchen.«
    »Ach nein.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Die Kochfrau ist so alt wie meine Mutter. Und das Hausmädchen hat eine Hasenscharte. Das ist bestimmt hinderlich beim Küssen.«
    Er stand auf, weil sie auch stand. Und dann fragte er sich, warum er sich verteidigen musste, denn eigentlich wollte er sie gar nicht küssen, das war ihre Idee gewesen.
    Cäcilie schien überhaupt nicht zugehört zu haben. Sie beugte sich zu ihm hin und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Das«, sagte sie atemlos, »war jetzt ein Kuss von Cäcilie auf der Kellertreppe . Darauf musst du ganz stolz sein, denn so habe ich bisher nur meinen Vater geküsst.« Sie tastete nach seiner Hand und drückte sie fest. »Du darfst niemandem etwas davon erzählen, das ist unser Geheimnis. Du musst schwören.«
    Moritz spürte ihre Wärme und roch die Frühlingsblumen und das Sauerkraut. Letzteres stärker als zuvor. Das sollte ein Kuss gewesen sein? Das hatte er sich anders vorgestellt. Und dann fragte er sich, was es da weiterzuerzählen gab, denn so aufregend war der Kuss von »Cäcilie auf der Kellertreppe« nun wirklich nicht gewesen.
    »Soweit ich weiß«, sagte er mit einem kühnen Schwung in der Stimme, »küsst man sich normalerweise auf den Mund. Jedenfalls machen es meine Eltern so. Und mein Bruder Jan mit seiner Verlobten auch. Ganz oft und ganz lange.«
    Cäcilie schnaubte empört. »Das ist in unserem Stand nicht üblich. Vielleicht bei euch, wo man es nicht so genau nimmt, woher die Kinder kommen.«
    Jetzt war es Moritz, der nach Luft schnappen musste. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen, das ging gegen seine und die Ehre seiner Familie. »Meine Eltern schauen sicherlich ganz genau hin, wen sie küssen, Cäcilie. Und ich habe noch nie gesehen, dass mein Vater eine andere Frau geküsst hat.« Und dann sagte er noch, dass die Kinder nicht vom Küssen kommen und dass Cäcilie ihn jetzt gefälligst auf den Mund küssen solle, sonst würde es mit dem Haushofmeister nichts werden.
    »Du bist frech, Moritz Forck«, schrie Cäcilie. »Ich will dich nie wiedersehen!«
    Sie raffte ihre Röcke und machte Anstalten, noch oben zu eilen. Doch sie eilte nicht. Sie blieb auf der Treppe stehen und fixierte ihn mit einem zornigen Blick. »Ich habe es mir überlegt. Da ich dich ohnehin nie mehr wiedersehen werde, macht es bestimmt nichts aus, wenn ich dich zum Abschied küsse.«
    Sie beugte sich nach vorn und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund.
    Moritz fuhr sich mit der Zunge

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