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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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wollen.«
    »Wozu der Schlüssel?«
    Sie beißt auf ihr Kaugummi und sieht mich ausdruckslos an. »Meine Akte mag weg sein, aber dieser verdammte Fall ist alles andere als vorbei.«
    Sie führt uns hinein, geht zu einer Säule und legt eine Reihe von Schaltern um, alle gleichzeitig. Ein dumpfes Surren erfüllt den Raum, dann springen die Bogenleuchten an, die in kegelförmigen Stahlzylindern von der hohen Decke hängen.
    Zwei lange Regalreihen verlaufen von einem Ende des Gebäudes zum anderen. Im etwa zwanzig Meter breiten Zwischenraum sind bunte Linien auf den Boden gemalt. Entlang der einen Seite und der hinteren Wand stehen Pappkartons mit den Namen und Adressen von Anbietern in Moskau. Die Kartons stapeln sich bis auf halbe Höhe an die Unterseite eines Zwischengeschosses, das an der hinteren Mauer von einem Spalt unterbrochen wird, wo ein weiteres Rolltor sitzt, das breit genug für einen Gabelstapler ist. Ein paar vereinzelte Kisten sind wahllos auf dem Metallgitter des Zwischengeschosses verteilt. Die Lagerfläche auf der anderen Seite ist leer. Die knisternden Deckenleuchten verbreiten eine elektrische Atmosphäre, als wäre jedes einzelne herumwirbelnde Staubkörnchen statisch aufgeladen.
    »Die haben wohl nicht viel zu tun hier.«
    »Ich war zehn Mal hier, mindestens«, entgegnet Olga. »Die Halle war nie mehr als zur Hälfte genutzt. Sehen Sie sich das an.« Sie geht zu einem Stapel Kartons und tippt auf einen schwarzen Strich an der Seite. »Den habe ich vor einer Woche draufgemacht, und das Ding steht immer noch hier.«
    Sie gibt uns ein Zeichen, ihr nach hinten zu folgen. Als wir in die Nähe des Tors kommen, hebt sie einen Karton vom Stapel und reicht ihn Golko. »Hier haben Sie ihn gefunden«, sagt sie und knallt ihm einen zweiten oben drauf, bevor er protestieren kann. Wir bilden eine Kette, und kurz darauf ist die Fläche frei.
    »Nichts«, sagt Golko.
    Ich gehe in die Hocke, um genauer hinzusehen. Glatter Beton, von einer Linie unterbrochen, die mal blau war, inzwischen aber zu grau verblichen ist. Ein verschwommener dunkler Fleck, kaum zu erkennen, scheint durchzuschimmern.
    »Sagten Sie nicht, er habe hier nicht geblutet?«
    »Das Lager war eine Woche geschlossen, es hat also eine Weile gedauert, bis sie ihn fanden. Als sie ihn bewegen wollten, fiel er auseinander wie eine vergammelte Melone.« Sie macht eine rosa Blase und lässt sie platzen. »Reste von ihm waren noch in einem Putzeimer.«
    Wer immer die Leiche hier abgeladen hat, wusste wahrscheinlich, dass das Lagerhaus geschlossen war. Vielleicht hat er irgendwo in der Gegend gewohnt oder gearbeitet. Ich teile den anderen meine Überlegungen mit.
    »Vielleicht«, erwidert Olga. »Wir haben alle Angestellten befragt und die Gegend nach Zeugen durchkämmt. Einige der Arbeiter waren vorbestraft, aber nichts Ernstes, und keiner von ihnen kannte Melnik, soweit wir wissen. Ich könnte Ihnen noch mehr dazu sagen, wenn ich die Akte hätte, aber ...« Sie zieht ihre breiten Schultern hoch.
    »War die Leiche bedeckt?«
    »Nein. Nackt, käsig, zerhackt und aufgedunsen. Und dann ist er geplatzt und sah noch schlimmer aus.«
    »Wie hat der Mörder ihn in das Gebäude geschafft?«
    »Das Schloss vorne aufgebrochen, genau wie wir.«
    »Was ist dahinter?«, frage ich und klopfe gegen das Rolltor.
    »Eine Laderampe.«
    Das Tor ist von außen verschlossen, also gehen wir zurück durch das Lagerhaus, vorne hinaus und über den knirschenden Kies, umgeben von unserem dampfenden Atem. Der Bereich hinter der Halle ist schwach beleuchtet von einem einzelnen Scheinwerfer, der hoch oben an der Außenwand befestigt ist. Von der Rampe führt ein Streifen Asphalt bis kurz vor das Ende eines Nebengleises; der Schnee darum herum ist zu Matsch zertreten, eine einzelne Zeder streckt ihre gestutzten Zweige darüber empor. Vier Kastenwagen stehen an der Rampe, grau mit schmalen roten und gelben Längsstreifen. Alle vier haben doppelte Hinterreifen.
    »Haben Sie die Wagen darauf untersucht, ob eine Leiche darin transportiert wurde?«
    Olga lässt eine Blase platzen, starrt mich ein paar Kaubewegungen lang an und sagt: »Warum sollte sie hier hinten reingebracht worden sein? Ich hab Ihnen doch gesagt, dass das vordere Schloss aufgebrochen war. Nicht das hier.«
    »Niemand trägt eine Leiche länger, als er unbedingt muss. Wenn sie vorne reingekommen wären, hätten sie sie gleich dort abgeladen.«
    »Sie haben wohl schon eine Menge Leichen durch die Gegend geschleppt, was?«

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