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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu restaurieren. Trotzdem nehme ich ihm seine Show nicht ab.
    Lachek ist auf jeden Fall verwickelt in die Explosion im AMERCO-Gebäude und in die Sache mit dem Video und dem Ei. Er ist jemand, der anderer Leute Pläne ausführt, und das hat ihn reich und mächtig gemacht. Aber ich habe mich geirrt, als ich dachte, er sei der große Mann, den Valja meinte, als sie andeutete, Abreg habe angeblich einen strategischen Verbündeten. Dieser Mann ist Konstantin.
    Konstantin spielt auf internationaler Bühne. Aus dem Hintergrund schiebt er bunte Fähnchen über Landkarten, auf denen existierende und geplante Raffinerien, Elektrizitätsnetze und Pipelines eingezeichnet sind; er ergänzt und entfernt die Namen auf einer Liste politischer Posten, unter anderem die der russischen Regierung in Tschetschenien; er verhandelt mit der NATO, China und Nordkorea über Raketen. Wahrscheinlich hat er sogar irgendein angeblich hehres, strategisches Ziel vor Augen, um das, was er getan hat, rational zu begründen, aber Konstantin ist derjenige, der mit Russlands Feinden im Kaukasus ins Bett gekrochen ist. Das weiß ich so sicher, als hätte er es mir selbst gesagt.
    »Charlene Thomas?«, erinnert er mich.
    Ich gebe ihm die Adresse der schmuddeligen Wohnung in Kitaj-Gorod, wo ich Charlie gefunden habe, weniger als einen Kilometer von hier entfernt. Dort werden sie zwar niemanden antreffen, aber ich muss Zeit gewinnen. Matthews ruft von seinem Handy aus irgendwo an und führt mit dem Rücken zu uns ein eindringliches Gespräch. Konstantin sieht ihm eine Weile zu, dann greift er sich mit der Hand an den Hals, als wolle er eine unsichtbare Krawatte gerade ziehen.
    »Ich habe gehört, dass Sie im Archiv des Innenministeriums waren und dass Sie unsere chinesischen Freunde verhört haben. Lassen Sie das.«
    »Bin ich jetzt fertig hier?«
    Er räuspert sich, ein Geräusch, als würde Kies durch einen Stahlschlauch laufen. »Ich brauche Sie noch.«
    »Ich unterstehe General Nemstow.«
    »Nicht mehr.«
    Ich bin überrascht von der Leere, die ich bei dem Gedanken empfinde, der General könne tot sein.
    »Der General ist nicht entlassen worden«, sagt er, als könne er meine Gedanken lesen. »Er hat Sie uns nur ausgeliehen.«
    »Ihnen oder ihm?« Ich zeige auf Matthews, der immer noch telefoniert.
    Konstantin streckt wieder das Kinn vor und presst offenbar mühevoll die Worte heraus: »Was glauben Sie, warum wurde das AMERCO-Gebäude angegriffen?«
    »Weil Abreg ein Tier ist.«
    Die pergamentartige Haut in seinem Gesicht zieht sich zusammen, was ein Gefühl von Enttäuschung vermittelt, ohne dass sein Ausdruck sich wirklich verändert hätte. »Schauen Sie mal über Ihren Horizont, Oberst.«
    »Sie meinen, ich soll Ihnen den Psychoquatsch von wegen terroristischer Motive abnehmen?«
    »Sie müssen tiefer gehen. Überlegen Sie mal, warum dieses spezielle Gebäude? Warum jetzt?«
    »Ersparen Sie mir die Mühe.« Ich stelle mich dumm, weil ich nicht sicher bin, was er über AMERCO, Kombi-Oil, das Ei und das Video weiß – all das, worüber der General und ich gesprochen haben. Der General hat viele Seiten, darunter auch ein paar schlechte, aber ich vertraue ihm hundert Mal mehr als dem Gespenst, das vor mir steht.
    »Sie wissen genug, um Ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.«
    Er hebt wieder die Hand an den Hals. Ich schätze, die Geste ist ein unbewusstes Eingeständnis von Schmerz, gegenwärtigem oder vergangenem. Er betrachtet mich auf eine Art, wie es noch nicht viele getan haben, zufrieden über ein Schweigen, das er nicht mit Worten füllen muss. Sein langer Blick erinnert mich an den des Generals, als ich im Hof des Untersuchungsgefängnisses, des Isolator-5, zitternd vor ihm stand.
    »Geld und Öl«, sagt er. »Diese Dinge sind nicht unwichtig. Leute wie Ihr Mafija-Freund und Ihr Förderer, der General, werden immer dafür töten. Aber das ist es nicht, was Männer wie uns antreibt, Volk. Wir existieren, um dieses Land zu schützen.«
    Noble Worte, aber ich schätze, sie sind nur ein weiterer Baustein in seinem Lügenkonstrukt unter dem Mörtel der Halbwahrheiten. Er kennt mich, jedenfalls glaubt er das. Wahrscheinlich hat er jedes einzelne der paar Dutzend Psychoprofile studiert, die seit meiner Kindheit über mich erstellt wurden. Der Mann, den diese psychologischen Berichte zeigen, interessiert sich weder für Öl noch für Geld oder politische Macht; nicht einmal die Aussicht, Russlands internationales Ansehen könne von der ungeschönten

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