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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Fensterscheiben zersplittert. Die große Glaskuppel eines am anderen Ufer stehenden Gebäudes bestand nur noch aus dürren Metallträgern, die wie der skelettierte Brustkorb eines verstorbenen Urtieres aussahen.
    »Diese Stadt ist echt trostlos«, sagte Pitlit und brach damit das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, seit sie den Dom verlassen hatten.
    »Ja, das finde ich auch«, antwortete Jonan. »Ich wundere mich, dass der Mondkaiser niemals versucht hat, die Trümmer zu beseitigen und die Stadt wieder in Besitz zu nehmen. Wäre sie eine einzige Todeszone, würde ich ja verstehen, dass die Menschen sie meiden, aber …«
    Seine eigenen Worte ließen ihn innehalten. Er musste an den gewaltigen Krater denken, der direkt jenseits des Flusses lag. Hastig kramte er den Strahlungsmesser hervor und aktivierte ihn. Im nächsten Moment entspannte er sich wieder. »Alles in Ordnung«, verkündete er erleichtert. »Die Werte liegen nicht höher als am Südrand der Stadt.« Dort hatte er seine letzte Messung vorgenommen.
    Pitlit sah ihn mitleidig an. »Was dachtest du denn? Glaubst du etwa, die Straßenhändler von Paris wären so dumm, einen Schwarzmarkt mitten in einer Todeszone einzurichten? Es gibt einfachere Wege, sich umzubringen.«
    »Zugegeben«, gestand Jonan. »Aber sicher ist sicher. Strahlungsmesser sind heutzutage nicht mehr sehr weit verbreitet, und außerhalb des Militärs dürfte kaum jemand so ein Gerät besitzen.«
    »Und was ist mit verdorrtem Gras, toten Bäumen, zweiköpfigen Käfern? Es gibt doch Hinweise auf eine Todeszone.«
    »Nicht unbedingt. Die Natur ist zäh. Sie lernt, mit Strahlung umzugehen. Unkraut wächst auch an den übelsten Orten.« Jonan kam in den Sinn, dass man das durchaus metaphorisch verstehen konnte.
    Sie wandten sich nach rechts und fuhren am Flussufer entlang. Bonasse hatte gesagt, dass sie bis zu einer Insel fahren mussten. Wenn sie über die erste der dortigen Brücken den Fluss überquerten und der sich daran anschließenden Straße etwa dreihundert Meter folgten, erreichten sie den Platz, unter dessen begrünter Oberfläche sich die Markthallen von Les Halles verbargen.
    »Gibt es irgendeinen Kontrollpunkt?«, hatte Jonan gefragt. »Müssen wir damit rechnen, durchsucht zu werden, wenn wir den Markt betreten wollen?«
    Géants Bruder hatte nur gelacht. »Nein, dieser Markt wird von niemandem betrieben, falls es das ist, was du geglaubt hast. Es handelt sich eher um einen Treffpunkt für alle, die etwas zu verkaufen haben. Allerdings gibt es so eine Art Marktwache, eine Gruppe fahnenflüchtiger Soldaten, die sich dafür bezahlen lässt, größere Zwischenfälle zu verhindern, etwa den Überfall einer Gang, die glaubt, hier gute Beute machen zu können.«
    »Verstehe«, hatte Jonan gesagt. »Wie werden diese Burschen wohl auf ein offen getragenes Sturmgewehr reagieren?«
    »Solange du es auf dem Rücken trägst und nicht herunternimmst, solltest du keinen Ärger bekommen. Wenn sich die Burschen jedoch von dir bedroht fühlen, könnte das schmerzhafte Folgen haben. Ich habe gehört, dass sie zuerst schießen und erst hinterher nachprüfen, ob es vielleicht ein Irrtum war.«
    »Danke für die Warnung.«
    An den Wortwechsel musste Jonan denken, als sie sich ein paar Minuten später durch die Ruinen der Häuser auf der nördlichen Flussseite ihrem Ziel näherten. Er hoffte, dass sie diesmal nicht in Schwierigkeiten gerieten. Er hoffte es wirklich. Dummerweise schienen sie Probleme geradezu magisch anzuziehen.
    »Pitlit«, sagte er mit einem Blick über die Schulter.
    »Hm?«, fragte der Straßenjunge.
    »Diesmal klaust du nichts, egal wie nobel deine Motive sein mögen. Verstanden?«
    Pitlit feixte. »Erst mal schauen, was es auf dem Markt so gibt.«
    »Nein!« Jonan hielt an und drehte sich ganz zu dem Jungen. »Das ist mein Ernst: keine Eigenmächtigkeiten! Wir haben einen Auftrag zu erfüllen, und wenn uns das nicht gelingt, weil man uns aus dem Markt wirft, wird uns Bonasse nicht helfen, zu Carya zu gelangen. Das ist eine heikle Sache.«
    Abwehrend hob Pitlit die Hände. »Ist ja schon gut. Ich mach keinen Blödsinn, versprochen. Ich will doch auch, dass wir Carya wiederfinden.«
    »Gut«, sagte Jonan zufrieden und fuhr weiter.
    Vor ihnen öffnete sich die Straße zu einem der vielen Plätze von Paris. Auch hier wucherte das Gras ungehindert. Die verrosteten Reste von Klettergerüsten für Kinder erhoben sich daraus. Die paar Bäume, die auf der Freifläche wuchsen, sahen

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