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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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einen Blick über die Schulter, wollte wissen, wo Jonan war. Ihre Augen weiteten sich. Er lag auf dem Rücken auf der Gasse zwischen den Gebäuden, mehrere Meter unter ihnen, die Glieder ausgestreckt, die Augen geschlossen. Offensichtlich war er die kippende Brücke hinuntergerollt und dann abgestürzt. Sein Sturmgewehr lag einen Meter neben ihm.
    »Jonan!«, rief Carya. »Jonan, hörst du mich?«
    Seine Lider flatterten, und er stieß ein Ächzen aus. Er fasste sich an den Hinterkopf und sah sich einen Moment benommen um. Doch gleich darauf kam wieder Leben in ihn, und er rappelte sich auf. »Carya.«
    »Geht es dir gut?«
    »Ja … ich denke schon. Ich bin auf meinen Beutel gefallen. Er hat die Wucht des Sturzes abgefangen.« Er griff nach seiner Waffe. Sein Blick schoss von links nach rechts, als er die Lage einzuschätzen versuchte.
    »Ich komme runter«, verkündete Carya und löste eine Hand vom Gitter. »Ich helfe dir hinauf.«
    Die Brücke quietschte und wackelte bedenklich.
    »Nein!«, rief Jonan schnell. »Das schaffst du nicht. Es ist zu hoch. Bleib oben. Bleib bei Pitlit.«
    »Ich lasse dich nicht zurück.«
    »Keine Angst. Ich finde schon meinen Weg hier raus.«
    »Leute, macht schnell«, drängte Pitlit von oben. »Die Soldaten sind gleich da.«
    Carya reckte den Hals und erkannte, dass der Straßenjunge recht hatte. Am entfernten Ende des Transportgangs tauchten ihre Verfolger auf. Ihnen blieben nur noch wenige Sekunden.
    »Carya, erinnerst du dich an die Brücke, die wir vorhin auf dem Weg hierher überquert haben?«, rief Jonan zu ihr hoch. »Die mit den Bahngleisen?«
    »Ja.«
    Ein Gardist schrie seinen Kameraden etwas zu.
    »Dort treffen wir uns. Unter der Brücke. Und jetzt flieht.«
    Alles in Carya weigerte sich, der Aufforderung nachzukommen. Sie wollte Jonan nicht zurücklassen. Ein Schuss nahm ihr jedoch die Entscheidung ab. Viel zu nah prallte die Kugel von der Hallenwand ab und sauste davon. Sie musste verschwinden. »Bis gleich«, rief sie und warf sich herum. Die Angst verlieh ihr übermenschliche Kraft, als sie sich an der schräg in der Luft hängenden Brücke hinaufzog. Im Nu hatte sie das obere Ende erreicht.
    Ein weiterer Schuss knallte und verfehlte sie.
    Pitlit packte sie mit einer Hand am Ärmel und half ihr dabei, sich über die Kante zu ziehen. In der anderen hielt er seinen Revolver und schoss mehr oder minder blind auf ihre Verfolger. Doch auch blindes Deckungsfeuer war nützlich. Die Gardisten zogen die Köpfe ein und warfen sich zu Boden. Viel Zeit mochten sie damit nicht gewonnen haben, aber jede Sekunde zählte.
    Keuchend kam Carya auf die Beine. Ein rascher Blick nach unten überzeugte sie davon, dass Jonan ebenfalls das Weite suchte. Er rannte die Gasse zwischen den Gebäuden hinunter und war im nächsten Augenblick verschwunden.
    Unterdessen hatte sich Pitlit bis zu der Tür zurückgezogen, die sie ins Innere der Halle führte. »Carya, komm endlich«, flehte er. Er feuerte zwei weitere Male, dann klickte der Revolver nur noch. Seine Munition war verschossen.
    Sie ließ sich kein weiteres Mal bitten. Während die Gardisten erneut ihre Waffen hoben, eilte sie an Pitlits Seite, der unterdessen die Tür öffnete – oder es vielmehr versuchte. »Oh, Kacke«, schimpfte er. »Ich krieg sie nicht auf.«
    »Warte.« Beherzt griff Carya ebenfalls zu und riss mit aller Kraft an der Klinke. Mit einem protestierenden Quietschen öffnete sich die Tür. Ihre Angeln waren vollkommen verrostet.
    Unter dem Pfeifen hastig gezielter Kugeln drängten sie durch die Tür und gingen hinter der Wand in Deckung. Rasch ließ Carya den Blick schweifen. Sie befanden sich auf einer Galerie in einer fensterlosen Halle, in der es stockdunkel gewesen wäre, hätte es nicht eine Reihe Oberlichter gegeben, durch die ein schwacher Rest Tageslicht hereinfiel. Auch so lagen weite Teile des großen Raums im Schatten, aber Carya vermochte zumindest ungefähr zu erkennen, wohin sie sich geflohen hatten. Es schien eine Art Frachtabfertigung zu sein. Überall stapelten sich Container unterschiedlicher Größe. Die meisten standen offen. Plünderer mussten schon vor Jahren alles Wertvolle aus ihnen gestohlen haben.
    »Gehen wir weiter«, drängte sie Pitlit, der sich wie sie mit weit aufgerissenen Augen im Dämmerlicht zu orientieren versuchte. »Irgendwo dort unten gibt es bestimmt einen Ausgang – oder auch mehrere.«
    Sie liefen auf der Galerie entlang, über die sie die Halle betreten hatten, bis sie eine

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