Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
birgt.«
Sie begaben sich in einen Bereich, der nicht ganz so stark von den Zerstörungen in Mitleidenschaft gezogen worden war. Über seltsam geformte Metalltreppen mit Stufen, die am unteren und oberen Ende miteinander zu verschmelzen schienen, gelangten sie in die höheren Stockwerke, von denen aus man eine gute Sicht auf die Landschaft hatte. Auf diese Weise würden sie etwas Vorwarnzeit haben, sollten sich andere Bewohner dieses Ortes einfinden.
Sie entdeckten einen Aufenthaltsbereich mit bequemen, wenn auch sehr abgewetzt aussehenden Sesseln und schoben ein paar davon zusammen, um sich drei Schlafplätze einzurichten. Anschließend verzehrten sie die mageren Überreste ihres Proviants. »Wir müssen morgen unbedingt nach einem Handelsplatz suchen, wo wir diese Goldmünze, die wir noch haben, eintauschen können«, sagte Jonan. »Wir können schlecht einen Laib Brot, etwas Käse und Wasser mit einem Goldstück bezahlen.«
»Dann nehmen wir doch diese Siedlungen mal genauer in Augenschein, an denen wir heute vorbeigekommen sind«, antwortete Carya. »Vielleicht gibt es da sogar ein Geldhaus oder etwas Ähnliches.«
»Klingt gut, wir …«
»Heiliger Strohsack!«, rief Pitlit in diesem Moment. »Kommt mal schnell her. Das müsst ihr euch ansehen.«
Carya schaute zu ihm hinüber. Der Straßenjunge stand an einem der zerborstenen Fenster und starrte hinaus in den dunkler werdenden Abendhimmel. Jetzt duckte er sich hinter die Wandverkleidung, als fürchte er, von draußen bemerkt zu werden.
Alarmiert lief Carya an seine Seite. Jonan packte sein Gewehr und folgte ihr auf dem Fuß. Beide gingen neben Pitlit in Deckung und richteten ihr Augenmerk nach draußen.
»Heiliges Licht Gottes«, flüsterte Carya unwillkürlich. Ihr Herz klopfte auf einmal so heftig, als wolle es ihr aus der Brust springen.
Draußen über dem grauen Vorfeld schwebte auf einmal ein Fluggerät. Und es sah fast haargenau so aus wie das Raketenflugzeug, in dem Carya vor zehn Jahren in der Wildnis abgestürzt war.
Kapitel 15
D ie Außenhülle des Fluggeräts war anscheinend vollkommen weiß, auch wenn sich das im schwächer werdenden Licht des scheidenden Tages nur mehr erahnen ließ. Sein schlanker, elegant geformter Metallleib erinnerte Carya an einen Schwan. Allerdings besaß das Gefährt recht kleine Flügel, die eng am Rumpf anlagen.
Auf fauchenden Triebwerksstrahlen hing es einige Meter über dem Boden in der Luft, wobei es leicht hin und her glitt, so als habe der Pilot Schwierigkeiten, es ruhig zu halten. Aus verborgenen Klappen unten am Bauch der Maschine tauchten drei Räder auf. Langsam schwebte das Fluggerät zu Boden und setzte praktisch lautlos auf.
Eine Weile noch rauschte der Antrieb und wirbelte Steinstaub auf. Dann wurde das Geräusch leiser, bis es schließlich ganz erstarb. Dunkel und still stand das Gefährt auf dem grauen Vorfeld, ein Ding, das inmitten all der Trümmer und den Zeichen des Verfalls ein wenig so wirkte, als komme es aus einer anderen Welt.
»So viel zu unserer Frage, ob dieser Luftplatz noch benutzt wird«, murmelte Jonan.
»Verdammt, wer da wohl am Steuer sitzt?«, fragte Pitlit im Flüsterton. Eigentlich gab es keinen Grund, die Stimme zu senken. Das Fluggerät stand gute hundert Meter entfernt.
Dennoch antwortete Carya genauso leise: »Das wüsste ich auch gerne.«
»Bevor wir hinuntergehen, an deren Luke klopfen und › Hallo ‹ sagen, sollten wir erst einmal beobachten, was weiter vor sich geht«, riet Jonan.
»Aber wir könnten zumindest ein bisschen näher rangehen«, schlug Pitlit vor. »Dann kriegen wir besser mit, was dort geschieht.« Ohne die Antwort der anderen beiden abzuwarten, machte der Straßenjunge ein paar geduckte Schritte rückwärts, um sich dann aufzurichten und in Richtung Treppenhaus zu flitzen.
Jonan warf Carya einen säuerlichen Blick zu. »Den Kerl davon abzuhalten, sich in irgendeine Gefahr zu stürzen, ist schlimmer, als einen Sack Flöhe zu hüten.«
»Aber er hat recht: Es könnte wirklich aufschlussreich sein, aus der Nähe mitzubekommen, was da unten vor sich geht.«
»Kommt ihr, oder was?«, zischte Pitlit von der Treppe aus.
Carya und Jonan warfen sich ihre Beutel über den Rücken und nahmen ihre Waffen. Dann eilten sie zu dritt wieder hinunter zu dem Aussichtspunkt auf der Plattform, von wo aus sie keine Stunde zuvor die riesigen Flugmaschinenwracks bestaunt hatten. Als sie dort ankamen und auf das Vorfeld hinausspähten, hatte sich rund um das
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