Im Schatten des Mondlichts - das Erbe
Lehre, niemals mehr auch nur kurze Wege allein durch den Dschungel zu gehen. Deswegen kenne ich die Bezeichnung Jag War. Die Erklärung des Häuptlingssohns hörte ich mir ebenso an, wie die Geschichten seines Vaters. Nopaltzin. Der Häuptling, mit dem ich mehrere Jahre in Mexiko zu tun hatte, sprach nach meinem Erlebnis ebenfalls über Tepeyollotl, der im allgemeinen Volksmund der unterschiedlichen Stämme als Jag War bekannt ist. Der Jaguar wurde von allen Stämmen verehrt, den Tolteken, den Maya und auch von den Azteken. Der Jaguar wacht über die Energien des Mayakalenders, der später von den Azteken übernommen wurde, und symbolisiert die Macht von Tezcatlipoca, dem rauchenden Spiegel, dem höchsten Gott der Azteken. Es heißt, wer in die reflektierenden Augen eines Jaguars blickt, erkennt darin seine Gegenwart und seine Zukunft.« Brenda seufzte. »Er erklärte mir, ich hätte in die Augen des Jaguars geblickt und hätte meine Zukunft erkennen müssen: wenn ich eine Wissende gewesen wäre.« Brenda machte eine kleine Pause und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Der Häuptling erzählte mir, wie der Jaguar zu Beginn der Zeitrechnung durch ein gewaltiges Feuer sprang und unverletzt das Flammenmeer verließ. Nur einige Brandflecke zeichneten sich auf seinem Fell ab. Aus diesem Grund erkennt man noch heute die Rosetten auf dem Fell eines Jaguars. Und die seltenere Gattung der Jaguare, der Panther, wird als höchste Macht von Tezcatlipoca bezeichnet. Der Panther brachte die Sonne und das Feuer und fügte die Schicksale des Universums. Die Olmeken glaubten sogar, ihr Volk sei aus der Verbindung eines Jaguars und einer Menschenfrau hervorgegangen. Bis heute gilt der Jaguar als Begleiter der verstorbenen Seelen.«
»Hübsche Geschichte. Und was soll das mit uns zu tun haben?«, fragte Romina, die nach einer Whiskyflasche griff.
»Als ich zurück nach San Antonio ging, prophezeite mir Nopaltzin, eines Tages würde ich verstehen und zurückkommen.« Brenda stand auf und ging im Raum auf und ab. »Er meinte, ich könnte nicht anders, da ich eine Seelenbegleiterin wäre und dies irgendwann erkennen würde.«
Romina schnappte nach Luft. »Willst du damit sagen, dieser Nopaltzin ahnte, dass sich Mitglieder unserer Familie in Panther verwandeln?«
»Ich weiß es nicht, wirklich nicht«, flüsterte Brenda und leerte die zweite Wodkaflasche.
»Dann sollten wir diesem Häuptling einen Besuch abstatten«, sagte Leandra. »Selbst wenn alles nur Hokuspokus ist, müssen wir es wenigstens versuchen.« Sie wandte sich an Brenda. »Und du wirst uns hinführen und übersetzen.«
Brenda schwieg.
»Wir sollten zu Nopaltzin gehen und ihn fragen, was seine Legenden über Jaguarmenschen sagen. Vielleicht erfahren wir durch ihn mehr.« Romina schnappte sich die nächste Whiskyflasche. »Das ist ein Plan nach meinem Geschmack!«
»Und wir kommen mit!«, rief Jason.
»Nichts dergleichen werdet ihr tun. Eure Eltern würden das niemals zulassen. Und ich auch nicht.« Mit einer unwirschen Handbewegung strich sich Brenda erneut über ihr Haar. »Ihr bleibt zu Hause und ich fahre mit, um zu übersetzen.« Sie schüttelte den Kopf. »Trotzdem kann ich kaum glauben, zu was ihr mich drängt.« Brenda sah von einem zum anderen. »Wann wollt ihr fliegen?«
Neun
Naomi zog sich gerade ihre Turnschuhe an, als Roman die Wohnung betrat.
»Das Teil ist super!« Er neigte den Kopf zu Kai hinunter. »Unser Kleiner findet das übrigens auch. Vor allem, wenn ich ihn andersherum hineinsetze, damit er was sieht.«
»Während du unterwegs trotzdem vorsichtig bleibst und nicht vor lauter Begeisterung alles um dich herum vergisst. Sammy ist mit Sicherheit auf der Suche nach uns.« Naomi küsste Roman und holte Kai aus der Gurtkonstruktion. »Jetzt gibt´s erst was zu essen für dich, und dann geht die Mama joggen.«
»Ja, die Mama geht joggen.« Roman schnallte sich den Tragegurt ab. »Und wir dürfen uns so lange um sie sorgen, bis sie wieder bei uns ist.«
»Ich passe schon auf mich auf. Deswegen lasse ich auch den MP3-Player hier. Außerdem laufe ich nicht durch die Stadt, sondern zehn Mal um unseren Block, obwohl ich viel lieber am Hafen entlanglaufen würde. Irgendwann sind wir Sammy los und dann können wir endlich ganz Barcelona erkunden, aber bis dahin ...«
»Ich weiß. Immer wenn du alleine unterwegs bist, warte ich nur darauf, bis ich die Eingangstür höre und sicher sein kann, dass alles in Ordnung ist.« Roman ging in die Küche und
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