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Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Titel: Im Schatten des Mondlichts - das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Bidell
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letzten Mal?«
    »Ja«, bestätigte Naomi und rang ihm erneut das Versprechen ab, dass er ihr auf keinen Fall zur Lichtung folgen durfte, sollte sie bei seiner Ankunft schon fort sein. Widerwillig stimmte Karsten zu.
     
    *
     
    Den halben Nachmittag lief Naomi um das Haus, um sich abzureagieren und den Kopf freizubekommen. Hier konnte sie unbeobachtet laufen. Etwas, was ihr schon seit Monaten gefehlt hatte. Dass sie nur im Kreis um das Wohnhaus joggte, störte sie an diesem Tag nicht. Ihre Gedanken sortierten sich nur langsam. Doch nach zwei Stunden stand ihr Plan fest.
    Sollte Sammy tatsächlich Roman und Kai mit zur Lichtung bringen und eventuell noch Verstärkung bei ihm sein, musste sie sich auf die neue Situation vorbereiten. Sie konnte nicht in letzter Minute zur Verwandlung in den Wald gehen. Besser sie versteckte sich in der Nähe der Lichtung zwischen den Bäumen, um zu sehen, was dort vor sich ging.
    Nachdem sie ihren Entschluss gefasst hatte, ging sie hinein, duschte kurz, streifte sich einen frischen Jogginganzug über und rief Karsten an, um ihm zu sagen, dass er sie nicht mehr zu Hause anträfe. Es war sechs Uhr, und Karstens Handy war abgeschaltet. Er saß offensichtlich in der Abendmaschine. Naomi erinnerte ihn an sein Versprechen, legte ihr Handy beiseite, stieg in Rominas Wagen und fuhr los.
    Das Fahrzeug stellte sie abseits der Lichtung in einem zugewachsenen Waldweg ab. Sie wagte es nicht, dichter zum Treffpunkt zu fahren. Eventuell rechnete Sammy damit, dass sie früher kommen würde, und sie durfte ihren Vorteil nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
    Mit vorsichtigen Schritten näherte sie sich der Lichtung. Bei jedem noch so kleinen Geräusch, das sie beim Gehen verursachte, zuckte sie zusammen, hielt inne und ging erst weiter, als sie außer ihrem eigenen Atem nichts mehr hörte.
    Die Lichtung musste direkt vor ihr liegen. Noch zwei Stunden, dann würde die Nacht hereinbrechen, und bereits vierzig Minuten später ginge der Mond auf. Noch lag alles ruhig da. Sie stand zehn Meter von der Lichtung entfernt und sah sich um. Rechts von ihr, standen einige hohe Kiefern, doch die unteren Astkränze lagen zu weit oben, um daran hochklettern zu können. Behutsam schlich sie weiter, um einen Baum zu suchen, an dessen unteren Astkranz sie heranreichen konnte. Bis sie eine geeignete Kiefer fand, hatte sie beinahe die komplette Lichtung umrundet.
    Abwägend blickte sie nach oben. Es genügte nicht, den untersten Ast zu erreichen. Sie musste höher klettern, damit die Nadeln sie wenigstens bei einem flüchtigen Blick nach oben verbargen. Diese Kiefer eignete sich nicht. Der zweite Astkranz lag zu weit vom Ersten entfernt.
    Wenig später entdeckte sie nahe der Lichtung eine Steineiche. Die mächtige Eiche trug dichte Blätter, und die Äste wuchsen enger beieinander. Naomi streckte sich und erreichte mit den Fingern den untersten Ast, konnte ihn jedoch nicht fassen. Sie musste hochspringen. Sollte sie abrutschen, würde sie viel Lärm machen. Es blieb ihr nur diese eine Chance. Alle anderen Bäume standen zu weit von der Lichtung entfernt und würden ihr als Aussichtsposten nichts nützen. Für einen Moment schloss sie die Augen und überlegte, ob sie es riskieren konnte. Es musste einfach gelingen.
    Den Blick auf den Ast gerichtet, suchte sie eine passende Stelle, um hochzuspringen. Sie ging in die Knie, federte drei Mal auf und ab, bevor sie sprang. Ihre linke Hand rutschte ab, doch ihre rechte Hand bekam den Ast zu fassen. Für einige Sekunden baumelte sie in der Luft und drohte zu stürzen. Ihre Verzweiflung verlieh ihr die Kraft, ihren Körper um eine halbe Drehung in eine Position zu bringen, in der sie sich mit der rechten Hand mit einem Klimmzug so weit nach oben ziehen konnte, bis sie den Ast mit der linken Hand zu fassen bekam. Naomi verharrte kurz in dieser hängenden Position, um Luft zu holen. Anschließend zog sie sich am Ast mit einem Klimmzug nach oben, führte die Hüfte so dicht wie möglich an den Ast, spannte den Bauch an, streckte die Beine durch, und brachte sich durch einen Felgaufschwung in die Stütze. Mit durchgedrückten Armen ließ sie sich langsam nach vorne kippen, bevor sie das linke Bein über den Ast legte und sicher auf dem Ast saß.
    Erleichtert blieb sie darauf sitzen und lauschte, ob sich jemand der Lichtung näherte. Als sie kein Geräusch vernehmen konnte, kletterte sie an den Ästen nach oben, bis sie sicher sein konnte, gut von den Blättern verborgen zu sein.
    Naomi

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