Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
meiner Mutter gestoßen. Sie steckte in einem alten Roman. Es lag keine weitere Information dabei. Dort stand nur, dass der Schlüssel zu einem Schließfach gehöre und er in Ihrer Kanzlei in Verwahrung sei. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir mehr darüber sagen.«
Naomi beobachtete den alten Mann. So mühevoll er sich auch aus dem Lehnstuhl erhoben hatte, sein Verstand war immer noch hellwach. Seine blitzenden Augen verrieten ihn. Sein Blick erinnerte sie an jemanden, doch sie kam nicht darauf, an wen.
Geoffrey Thursfield setzte sich rechts von seinem Vater in einen Sessel. »Sie wissen es tatsächlich nicht?«
»Bedauere.« Leandra schüttelte den Kopf. »Bei dem Schlüssel lag kein Brief? Oder sonstige Unterlagen?«
Die Sekretärin brachte auf einem Tablett den Tee mit etwas Gebäck und schenkte ein, bevor sie sich erneut zurückzog.
Naomi beugte sich nach vorn, um endlich etwas zu tun zu haben. Sie pustete in ihre Tasse und beobachtete über den Rand hinweg die beiden Anwälte.
»Leider nicht. Es gibt nur diesen Schlüssel. Sollte mein Schwiegervater mehr gewusst haben, so hat er sein Wissen nicht weitergegeben.« Thursfield Senior griff ebenfalls nach seiner Teetasse. »Zu dem Zeitpunkt, als ich die Kanzlei übernahm, gab es nur eine Quittung von einer Mrs. Romina Thomson, die besagte, die Aufbewahrung sei bis ins Jahr 2035 bezahlt. Als ich in die Kanzlei eintrat, war mein Schwiegervater bedauerlicherweise bereits verstorben und konnte mir keine Auskunft mehr geben. Nur der Schlüssel lag im Tresor. Nichts weiter. Ich musste mich selbstständig in die aktuellen Fälle einarbeiten, und der Anfang gestaltete sich dementsprechend schwierig für mich. Im Laufe der Zeit konnte ich aber alle fraglichen Punkte klären. Alles. Bis auf den Schlüssel.« Er trank einen Schluck und stellte die Tasse zurück. »Geoffrey. Hole bitte das Päckchen.«
Der junge Anwalt erhob sich, ging zum Tresor und entnahm ihm ein Kästchen. In schwarzem Samt ausgeschlagen, wäre es die passende Verpackung für ein Juwel gewesen. »Vielleicht hilft der Schlüssel selbst weiter.« Aufgeklappt stellte er die Schachtel auf den Tisch.
Naomi beugte sich vor. Ihrer Ansicht nach handelte es sich um einen ganz gewöhnlichen Schlüssel. Ein altes Modell. Sie schob das Kästchen zu Leandra hinüber, die den Schlüssel behutsam herausnahm. »War dieser Anhänger schon daran befestigt?«
»Ich habe das Kästchen so in einem Umschlag im Tresor vorgefunden. Auf der Notiz stand nur, dass die Gebühr bezahlt sei und es von einer Miss Leandra Jean Thomson, also Ihnen, abgeholt werden würde. Kein weiteres Wort. Einige Zeit haben wir versucht, Sie zu finden. Doch ohne einen Aufenthaltsort war es ein unmögliches Unterfangen. Sie leben in Deutschland?«
Leandra nickte und drehte das altertümliche Stück in der Hand. Naomi entdeckte ein Glitzern in Leandras Augen und hoffte, die Anwälte sähen es nicht ebenso.
Um die Wachsamkeit der Männer von Leandra abzulenken, griff Naomi nach dem Anhänger in Leandras Hand. »Sie kannten also meine Urgroßmutter gar nicht?«
Walter Thursfield verneinte.
»Dabei hatte ich gehofft, jetzt mehr über sie zu erfahren. Sie starb sehr früh. Ich habe sie leider nie kennengelernt.«
Für einen Moment hielt sie dem forschenden Blick stand. Walter Thursfields Augen waren von einem wässrigen Blau. Es waren kalte Augen, die Naomi frösteln ließen. »Dann werden wir das Rätsel um den Schlüssel vermutlich nie lösen.«
Sie wandte den Blick ab und sah zu Geoffrey Thursfield, der den Schlüssel nicht aus den Augen verlor. Er schien viel neugieriger zu sein, als sein Vater, auch wenn er bisher kaum ein Wort gesagt hatte. Es war die Art, wie er sie beobachtete und offenbar analysierte.
Geoffrey Thursfield war vielleicht dreißig Jahre alt. Was interessierte er sich für diesen Schlüssel? Es gab keinen Grund dafür. Dass sich ein alter Mann sein Leben lang über einen hinterlegten Schlüssel Gedanken machte, über den er immer wieder stolperte, sobald er den Tresor öffnete, leuchtete Naomi ein. Doch ein junger Mann wie Geoffrey? Dem sollte es gleichgültig sein. Das merkwürdige Flattern in ihrer Magengegend, seitdem sie diese Kanzlei betreten hatte, verstärkte sich. Naomi stand auf. »Wir danken Ihnen vielmals für Ihre Zeit, und auch dafür, dass Sie den Schlüssel aufbewahrt haben. Um mehr, als ein Andenken an meine Urgroßmutter, handelt es sich leider nicht, auch wenn wir auf den Familienschmuck gehofft
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