Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
vorsichtshalber.
Naomis Gedanken wirbelten durcheinander. Selbst wenn in der kommenden Nacht jemand vom feindlichen Clan käme, so wären doch mit Sicherheit auch welche aus ihrem Clan im Richmond Park. Ihre Artgenossen mussten nach diesen Nachrichten wissen, dass sich nur ein Neuling so benehmen würde.
Warum war sie nicht selbst darauf gekommen? Ein Treffpunkt in einem geschlossenen Park. Das war dumm. Wirklich dumm. Sie hätte schon beim ersten Besuch im Park darüber nachdenken müssen. Statt dessen war sie wie ein Einbrecher über den Zaun geklettert. Aber wohin hätte sie sonst gehen sollen? Und was wäre mit heute Abend?
In Southampton war sie noch nie gewesen. Und von Lyndhurst genau lag, wusste sie auch nicht. Ihre Oma hatte immer nur von England oder London gesprochen.
Es musste dort Wälder geben. Ihre Urgroßmutter hatte dort einen Ort gefunden, wo sie sich verwandeln konnte. Deshalb hatte Leandra vorgeschlagen, dorthin zu fahren. Nach Hause zu gehen, war unmöglich. Der Nachtzug war die einzige Verbindung, und im Zugabteil konnte sie sich schlecht verwandeln. Der Gedanke daran ließ sie frösteln. Das wäre eine Show. Wenn schon die Hirsche davonliefen, sprängen die Leute wahrscheinlich aus dem fahrenden Zug.
Vielleicht fuhren ja die Mitglieder von London nach Lyndhurst?
Naomi sah auf die Uhr. In einer halben Stunde kämen sie an. Ihre Großmutter kannte die Gegend aus ihrer Jugend. Sie hatte von einem abgelegenen Cottage gesprochen, was direkt am New Forest National Park lag. Hoffentlich gab es noch ein freies Zimmer. Aufgrund ihrer überstürzten Abreise war keine Zeit für ein Telefonat geblieben, zumal sich Leandra nicht mehr an den Namen des Cottages hatte erinnern können.
Am Bahnhof in Southampton stiegen sie in ein Taxi. Nach Lyndhurst waren es nur zehn Kilometer, aber es war bereits früher Nachmittag. Eine Busfahrt hätte zu viel Zeit gekostet. Naomi gähnte, spähte aber trotzdem interessiert aus dem Fenster. Die historischen Bauwerke im viktorianischen Stil wechselten sich mit Häusern im Tudorstil ab und bildeten einen herrlich bunten Mix, der sie glauben ließ, in ein anderes Jahrhundert einzutauchen. Nur die modernen Gebäude und die Autos erinnerten sie daran, dass sie sich in der Gegenwart befand.
»Sobald sich die Gelegenheit bietet, zeige ich dir die Stadt.«
Naomi lächelte und nickte. Ihre Großmutter musste ihr die Begeisterung an der Nasenspitze angesehen haben. »Diese Stadt ist unglaublich. Wie konntet ihr nur freiwillig von hier wegziehen? Und dann auch noch in die Lüneburger Heide.«
»Ich fühlte mich hier einfach nicht mehr sicher. Gerade du solltest das nachvollziehen können. Außerdem bin ich von hier aus nach Schweden gegangen.«
Die Lippen fest aufeinandergepresst, starrte Naomi aus dem Fenster. Die Innenstadt blieb hinter ihnen zurück und die Strecke führte durch eine sanfte Hügellandschaft. Saftig grüne Wiesen und dichte Wälder, so weit sie sehen konnte. Es musste ihrer Großmutter sehr schwer gefallen sein, diesen herrlichen Flecken zu verlassen, wo er doch der einzige Ort war, um sich ihrer Mutter näher zu fühlen.
Das Taxi hielt vor einem roten dreistöckigen Ziegelbau. Die Erkerfenster im Giebel verliehen dem Cottage ein imposantes Aussehen. Vor dem Haus lag eine ebene Rasenfläche. Dort grasten freilaufende Ponys und drei Esel.
»Sperrt in England denn niemand seine Tiere ein?«, brach es aus Naomi heraus. Der Gedanke, in dieser Nacht wieder ein harmloses Wesen zu Tode zu erschrecken, ängstigte sie.
Leandra bezahlte den Taxifahrer und antwortete ihr: »Es sind doch Haustiere, und sie bleiben immer in der Nähe. Keine Sorge.«
Der Fahrer stellte das Gepäck beim Eingangsportal auf die Treppe.
»So, dann wollen wir mal.«
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind? Das sieht teuer aus.« Naomi blieb unschlüssig stehen.
»Für ein paar Tage werden wir es uns schon leisten können. Es liegt für dich einfach ideal. Dichter am Wald kannst du fast nicht wohnen.« Leandra zeigte in Richtung Ortskern. »Mein Elternhaus liegt dort hinten. Lass uns morgen hingehen. Jetzt bin ich hundemüde und muss eine Runde schlafen.«
Naomi gähnte. »Und ich muss erst was essen.« Sie griff nach ihrer Tasche und folgte ihrer Großmutter über die Stufen zum Eingang.
Der Rezeptionsbereich war mit dunklen Möbeln überladen. Schwere, abgetretene Teppiche lagen vor der aus Naturstein gebauten Theke. Gegenüber stand eine dunkelgrüne Sitzgruppe vor
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