Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Ihnen beiden nicht. Eine verängstigte Ehefrau sieht anders aus.« Sie drosselte ein wenig das Tempo. »Eines will ich Ihnen sagen, Verbrechern helfe ich nicht!«
Ein greller Blitz zuckte durch den tiefschwarzen Gewitterhimmel und die ersten dicken Tropfen klatschten gegen die Windschutzscheibe.
»Oh, wo denken Sie hin«, mischte sich Leandra ein. »Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen. Es ist nur so: Nicht im Traum hätte ich mir jemals zugetraut vor meinem Mann zu fliehen, und das noch auf einer Rückbank versteckt. Eine Frau in meinem Alter! Wo gibt es denn so was?«
Obwohl es inzwischen heftig zu regnen begonnen hatte, beschleunigte Miss Marple wieder die Geschwindigkeit. Naomi beobachtete ihre Gesichtszüge. Langsam entspannten sie sich wieder, auch wenn Mrs. Jackson manchmal einen prüfenden Blick in den Rückspiegel warf. Einen Moment lang hatte Naomi gedacht, die alte Dame würde sie auf die Straße setzen. Das hätte ihnen bei diesem Wetter gerade noch gefehlt.
»Ich setze Sie am Bahnhof in Southampton ab. Auch wenn ich mir sicher bin, dass Sie mich belogen haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie tatsächlich etwas ausgefressen haben und diese Männer deswegen hinter Ihnen her sind.« Sie drehte sich zu den beiden um. »Vor wem Sie davonlaufen, werden Sie mir nicht erzählen, oder?«
Naomi schüttelte den Kopf. »Wir sind Ihnen unendlich dankbar für Ihre Hilfe, aber es geht einfach nicht.«
Leandra seufzte und legte Mrs. Jackson die Hand auf die Schulter. Diese nickte nur. Schweigend legten sie die letzten Meter zurück, während die Regentropfen heftig auf das Fahrzeug prasselten.
Mrs. Jackson stoppte den Wagen vor dem Eingang und drehte sich zu ihnen um. »Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
Naomi zog das Gepäck vom Beifahrersitz und dankte ihr nochmals für ihre Hilfe, bevor sie die Wagentür öffnete und durch den strömenden Regen in die überfüllte Bahnhofshalle rannte. Leandra folgte ihr. Als Naomi zum Abschied die Hand hob, war Mrs. Jackson bereits davongefahren.
Wie eine zweite Haut klebte die durchnässte Kleidung an Naomi. Obwohl die Halle beheizt war, fröstelte sie. Leandra stand neben ihr und strich sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihre Großmutter sah aus, als käme sie aus der Dusche. Glücklicherweise sah sie sich nicht in einem Spiegel, sie hätte sich zu Tode geschämt. Leandra ging niemals ungestylt aus dem Haus. Nicht einmal zum Briefkasten, um sich die Morgenzeitung zu holen. Entweder sie schickte Luna oder sie richtete sich zumindest das Haar. Leandra sagte immer, man könne schließlich nie wissen, wem man begegnete.
Als hätte ihre Großmutter ihre Gedanken erraten, strich sie sich erneut mit den Fingern durchs Haar. »Ich muss fürchterlich aussehen.«
»Du siehst prima aus, Oma. Aber wir sollten aus den nassen Klamotten raus.« Sie sah sich nach den Toiletten um. Ihr Blick blieb am Fahrscheinautomaten hängen. »Aber zuerst müssen wir uns um die Tickets nach London kümmern.« Sie eilte zum Automaten und drückte mehrfach auf den Touchscreen, bis sie die richtige Verbindung auf dem Bildschirm sah. Der Zug fuhr in fünf Minuten ab. Die gedruckten Tickets in der Hand, rannte sie zu Leandra, schnappte die Reisetasche und flitzte auf die Rolltreppen zu. »Na los, beeil dich. Wenn wir dem Zug nicht nur hinterhersehen wollen, solltest du einen Gang hoch schalten!«
Ohne sich nochmals zu ihrer Großmutter umzudrehen, stürzte sie die Stufen hinunter und drängelte sich an den Fahrgästen vorbei, die sich von der Rolltreppe gemächlich zu den Gleisen hinabfahren ließen. Der Zug stand bereits ausfahrbereit am Gleis. Naomi stürmte zum ersten Waggon, warf ihr Gepäck hinein und blieb in der offenen Tür stehen, um das Schließen der Tür zu verhindern. »Beeil dich, Oma!«
Leandra drängte sich durch die herumstehenden Passagiere. Kaum war sie in den Waggon geschlüpft, schlossen sich die Türen.
Naomi seufzte und rieb sich die Arme, um die Kälte, die ihr in die Knochen kroch, zu vertreiben. Der Zug setzte sich in Bewegung, und die Gesichter der am Bahnsteig stehenden Fremden zogen an ihr vorüber. Plötzlich riss sie die Augen auf. »Thursfield.«
»Was?«, fragte ihre Großmutter.
»Dort, am Bahnsteig.« Instinktiv drehte sie den Kopf weg. Thursfield junior ging am gegenüberliegenden Bahngleis an den Zugwaggons vorbei und sah in jedes Fenster. »Er sucht uns.«
»Du siehst Gespenster, Kind. Wenn er uns suchen würde, hätte er den Zug nach
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