Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
ähnlich.« Naomi beugte sich dicht an Mrs. Jacksons Ohr. »Wissen Sie, er ist der geschiedene Mann meiner Großmutter. Er verfolgt sie schon seit Wochen. Ich weiß nicht, wie er uns hier gefunden hat, aber er will meine Oma zwingen zu ihm zurückzukehren. Vermutlich war der jüngere Mann ein Privatdetektiv, den er auf uns angesetzt hat. Meine Großmutter ist auf der Flucht vor ihm und versteckt sich. Ihre letzten Ehejahre waren die Hölle. Nach langem Zureden konnte ich sie endlich dazu bewegen, einen Schlussstrich zu ziehen und zu fliehen. Nachdem er uns nun entdeckt hat, sollten wir schnellstmöglich von hier verschwinden. Hat das Hotel einen Hinterausgang, durch den wir unbemerkt ihr Haus verlassen könnten?«
Die alte Dame presste ihre Lippen aufeinander. Ihre Augen funkelten lebhaft. »Wissen Sie, ich dachte mir von Anfang an, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Der ältere Herr wirkte sehr nervös, als er nach Ihnen fragte. Sein rechtes Augenlid zuckte ständig, und es ist doch ein Zeichen, dass man etwas verbergen will, wenn die Nerven plötzlich verrückt spielen.« Sie schob Naomi einige Stufen nach oben, damit sie auch vom Eingang aus nicht gesehen werden konnte. »Gehen Sie in Ruhe packen. Ich komme dann hoch, wenn alles organisiert ist. Und sagen Sie Ihrer Großmutter, sie müsse sich keine Sorgen mehr machen.«
Sie drückte Naomi die Hand. »Kindchen, da habe ich schon ganz andere Sachen gelöst. Geben Sie mir eine halbe Stunde.« Mit einem verschmitzten Lächeln stieg sie die Stufen hinab und nickte ihr aufmunternd zu.
Naomi bedankte sich und grinste in sich hinein, während sie sich umdrehte. Es handelte sich zwar um eine dicke Lüge, aber Miss Marple hatte den Köder geschluckt. Wie sie mit geröteten Wangen und einem listigen Blick zur Rezeption zurückgegangen war, rührte Naomi. Eine süße alte Dame mit einem Hang zum Abenteuer. Das sollte sie nun erleben. Hauptsache, Leandra und sie konnten ungesehen verschwinden.
Leandra schloss gerade Naomis Tasche. »Fertig. Von mir aus kann´s losgehen.« Sie eilte nochmals ins Badezimmer, öffnete das Spiegelschränkchen, sah in der Duschwanne nach und nickte zufrieden, weil sie nichts übersehen hatte.
Naomi zog den Reißverschluss ihrer Reisetasche auf und griff nach einem Sweatshirt sowie einer frischen Jeans. »Übrigens, Oma, du bist eine geprügelte Frau, die vor ihrem Mann auf der Flucht ist. Miss Marple ist echt klasse. Sie wird uns helfen.«
»Musst du sie immer Miss Marple nennen?«
»Mensch, Oma, sei nicht so. Sie sieht doch ganz genauso aus. Vor allem, wenn sie die Lippen zusammenpresst und die Stirn in Falten legt, um sich etwas einfallen zu lassen. Hättest du nicht diese alten Filme angesehen, würde ich sie gar nicht kennen.« Mit raschen Handgriffen stopfte sie die getragene Kleidung in die Tasche. »Soll ich dir was sagen?« Mit einem Grinsen sah sie Leandra an. »Irgendwie erinnert sie mich sogar ein bisschen an dich.«
Vierzehn
Zwanzig Minuten später lagen sie auf dem Rücksitz eines schwarzen Jeeps. Miss Marple hatte den Wagen in die Einfahrt des überdachten Lieferanteneingangs gefahren und den Kofferraum geöffnet, durch den sie auf die Rückbank geklettert waren. Das Gepäck lag auf dem Beifahrersitz und wegen der abgedunkelten Scheiben sah man nur den Fahrer, wobei man von Miss Marple aufgrund ihrer geringen Körpergröße nur noch den auftoupierten Haarschopf über dem Lenkrad erkennen konnte.
Leandra zog erst eine Schnute und bedachte Naomi mit einem verärgerten Blick. Naomi musste sich ein Lachen wegen des mitleidigen Blicks von Miss Marple verkneifen. Aber nachdem sich Leandra in ihrer Rolle der eingeschüchterten Ehefrau auf der Flucht eingefunden hatte, schien es ihr sogar Spaß zu machen, denn sie grinste Naomi breit an, als sie den Feldweg hinter dem Haus entlangrumpelten. Selbst als sie schon einige Straßen entlang gefahren waren, blieb Leandra in Deckung, obwohl das nicht mehr nötig gewesen wäre. Sie zog Naomi zu sich hinunter und flüsterte: »Nur für alle Fälle, nicht, dass mich mein böser Ehemann doch noch entdeckt.«
Naomi boxte sie leicht, grinste und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf Leandra, die ihr daraufhin den Zeigefinger in die Rippen bohrte.
Als sie die Landstraße erreichten, setzten sie sich auf und Naomi fing Miss Marples Blick im Rückspiegel auf. »Wie können wir Ihnen nur danken?«
»Vielleicht in dem Sie mir die Wahrheit sagen? Die Story mit dem Ehemann glaube ich
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