Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
müssen. Man würde ihn für den zukünftigen Schwiegersohn halten. Dabei war er sich noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt mit Pilar zusammenbleiben wollte.
Auf der Fahrt in die Innenstadt redeten Carla und Pilar ohne Unterlass. Der Klang der spanischen Sprache gefiel Roman, auch wenn er kein Wort davon verstand. Sie hörte sich melodisch und lebendig an.
Während Roman noch seinen Gedanken nachhing und die Umgebung an sich vorbeiziehen ließ, ohne sie wirklich wahrzunehmen, hielt der Wagen vor einem Gebäude in einer schmalen Straße.
»Wir sind da!« Pilar rutschte auf dem Sitz hin und her. »Hoffentlich gefällt es dir. Die Wohnung ist mitten im Zentrum. Das Viertel heißt El Raval .« Sie riss die Beifahrertür auf und sprang aus dem Auto.
Roman atmete tief ein und aus. Rings um ihn ragten mehrstöckige Häuser auf, kaum ein Baum stand am Straßenrand. Daran musste er sich wohl gewöhnen, auch wenn ihm jetzt schon die Wälder in Maine fehlten. Vielleicht wäre ja die Nähe zum Meer ein kleiner Ausgleich. Pilar öffnete die hintere Wagentür. »Los, komm schon!«
Die Wohnung lag im dritten Stock eines renovierten Gebäudes. Aus allen Fenstern sah man nur die gegenüberliegende Häuserwand. Einen Balkon gab es nicht. Roman sah sich um. Das Wohnzimmer war gemütlich eingerichtet. Daran grenzte eine offene Küchenzeile, und es gab nur ein Schlafzimmer mit integriertem Bad. Auch wenn das Apartment sogar größer wirkte, als sein früheres, fand man hier keinerlei Möglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen. Für den Anfang musste es reichen.
»Dir gefällt es nicht.« Pilar zog eine Schnute.
»Nein, das ist es nicht. Es ist klein, aber okay.« Roman rieb sich das Kinn. »Mir fiel nur etwas ein, was ich dir schon die ganze Zeit sagen wollte. Ich muss spätestens übermorgen nach Holland.«
»Nach Holland? Meine Mutter wird ausrasten, wenn ich gleich wieder wegfahre.«
Er räusperte sich. »Pilar. Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte lieber alleine fahren.« Roman beobachtete, wie Pilars Gesichtszüge sich verhärteten. »Du würdest dich sowieso nur langweilen. Ein Studienfreund wohnt dort, und sobald ich den Job angetreten habe, fehlt mir die Zeit für einen Besuch.«
Pilar schmollte. »Dann langweile ich mich eben. Aber immerhin wären wir zusammen.«
Die Stirn in Falten gelegt, sah er Pilar an. Das fing ja prima an. Wenn er nicht ein schlechtes Gewissen wegen der Reise nach Deutschland hätte, würde er es auf eine Grundsatzdiskussion ankommen lassen, weil sie jetzt schon wegen zwei oder drei lausiger Tage ein Drama veranstaltete.
»Vergiss es. Besuch deinen Freund und amüsier dich.« Pilar lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist.« Sie ging auf ihn zu und küsste ihn. »Wann fährst du los?«
*
Naomi zerrte die Notiz aus dem Umschlag. Reist nach Barcelona. Iker schickt Adresse. Sie drehte den Zettel um, doch auf der Rückseite stand nichts weiter.
Enttäuscht ließ sie das Stück Papier sinken. Auch wenn Naomi wusste, wie unwahrscheinlich das war, so hatte sie doch auf eine Nachricht von Roman gehofft.
Mit zusammengepressten Lippen öffnete sie das zweite Kuvert. Es steckte eine Postkarte darin. Vermerkt war eine Anschrift in Barcelona und der einzelne Buchstabe I. Kein weiteres Wort, keine Information, nichts. Naomi runzelte die Stirn. Wenn die erste Nachricht von Romina war, wieso trug der Umschlag dann den Poststempel von Stillwater? Konnte die Nachricht tatsächlich von ihr sein?
Ihre Zimmertür öffnete sich und Leandra schob sich durch den Türspalt. »Und?«
»Sieh selbst.« Naomi streckte ihr die beiden Nachrichten entgegen. »Was hältst du davon?«
»Na endlich. Warum ziehst du so ein sauertöpfisches Gesicht? Darauf haben wir doch die ganze Zeit gewartet.« Leandra zog sich den Schreibtischstuhl neben das Bett und setzte sich.
»Der erste Umschlag ist in Stillwater aufgegeben worden.« Hilflos zuckte sie mit den Schultern. »Irgendwie ... ach, ich weiß auch nicht.«
»Was meinst du?« Ihre Großmutter sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nach einem Moment seufzte sie auf. »Du hast doch nicht geglaubt ... doch, hast du.« Leandra stand auf, ging zu Naomi und schloss sie tröstend in ihre Arme.
Naomi verdrängte die aufsteigende Traurigkeit und löste sich aus der Umarmung ihrer Großmutter, um nicht doch noch zu weinen. Der kurze Moment der Hoffnung, Roman würde sich an sie erinnern, verwandelte sich
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