Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
flexibel.«
Naomi grinste immer noch über Alices derben Spruch, als sie in den Wald einbog. So ganz unrecht hatte Alice nicht. Selbst wenn es geregnet hätte, würde ihr das heute nicht die gute Laune verderben. Doch die am Himmel prangende Sonne leckte die letzten Nebelfelder weg; von Regen oder Nebel keine Spur. Das Leben war herrlich, und sie fühlte sich so gut und beschwingt, wie nie zuvor. Ihr war, als müsse jeder sehen, wie sie von innen heraus strahlte, so leicht und hell erschien ihr alles.
Der feuchte Waldboden duftete würzig, die Tautropfen auf den Ahornblättern funkelten in der Sonne, und die ersten Blüten öffneten ihre zarten Knospen. Beschwingt hüpfte sie über Wurzeln, wich herabhängenden Zweigen aus und rannte weiter in den Wald, bis sie auf der Lichtung ihren alten Freund, den Baum, entdeckte. Sie schnaubte auf, stützte die Arme in die Hüften und schlenderte auf die Ulme zu, um sie mit einem Klaps zu begrüßen. »Was treibt mich nur immer zu dir? Du lockst mich an, wie das Kloster die Nonnen.« Die Strahlen der aufsteigenden Sonne brachen gemächlich durch die Baumkronen und verwandelten den Ort in ein magisches Spiel aus Licht und Schatten. Schmetterlinge tanzten übermütig inmitten der Lichtung. Trotz des friedlichen und zauberhaften Moments, spähte Naomi in das umliegende Gehölz. Wie schon früher, entdeckte sie jedoch nichts zwischen den Bäumen, obwohl sie überzeugt war, nicht alleine zu sein. Sie verharrte einen Moment, bis die Sonne die Schatten endgültig vertrieb, bevor sie sich auf den Rückweg machte.
*
Pünktlich um zwanzig Uhr klingelte Roman an Naomis Haustür. Sie drückte auf den automatischen Türöffner, warf noch einen prüfenden Blick in den Spiegel und öffnete.
»Wow. Du siehst großartig aus«, sagte Roman und küsste sie zärtlich zur Begrüßung.
Er stand in Designerjeans und dem rosa Hemd, das er damals bei ihrem ersten Zusammenstoß getragen hatte, vor ihr. Sie war passend gekleidet. Naomi grinste. »Kein Mann, außer dir, kann es sich erlauben, ein rosa Hemd zu tragen. Zumindest kenne ich keinen. Bei anderen wäre ich mir nie sicher, ob sie nicht auf dieselben Typen stehen, wie ich.«
»Ach.« Roman sah an sich hinunter. »Dürfen nur schwule Männer rosa Hemden anziehen?«
»Nein. Du bist das lebendige Beispiel dafür.« Naomi schnappte ihre Handtasche und hakte sich bei Roman unter. »Und jetzt lass uns gehen. Ich habe einen Bärenhunger.«
Galant öffnete Roman ihr die Beifahrertür, bevor er selbst einstieg und auf die Ladefläche zeigte. »Der Fernseher ist endlich repariert. Ist es okay für dich, wenn wir bei Bertram vorbeifahren? Er wartet mit einem Essen auf uns.« Naomi hatte mit einem Besuch in einem der Restaurants im Ort gerechnet, doch war es ihr im Grunde egal, wohin sie mit Roman ging. Hauptsache, sie waren zusammen.
*
Sammy saß in seinem Auto und beobachtete Naomis Hauseingang. Die Dämmerung war hereingebrochen und bot ihm endlich besseren Schutz. Sollte Naomi ihn entdeckten, wusste er keine passende Ausrede. Er könnte höchstens behaupten, er sei eben erst gekommen, um sie zu besuchen. Glaubhaft wäre es, aber auch ziemlich lahm. Romans Pick-up fuhr vor den Eingang. »Was zum Teufel will der schon wieder?«, fluchte Sammy und stieg aus, um ihn besser im Blick zu haben. Er versteckte sich hinter der Hausecke und sah, wie Roman das Haus betrat. Sollten die beiden nicht in zwanzig Minuten aus der Tür kommen, würde er klingeln, um sie zu stören. Er durfte nichts riskieren. Sammy drehte sich ruckartig um. Seine Augen verengten sich, als er seine nähere Umgebung absuchte. Nichts zu sehen. Trotzdem war er überzeugt, nicht der einzige Beobachter in dieser Nacht zu sein. Sammy grinste schief. »Wir werden uns schon noch sehen. Bald sogar. Und dann mache ich dich endgültig fertig.« Die Haustür ging auf. Roman öffnete die Beifahrertür, bevor er selbst einstieg. Sammy lief zurück zu seinem Wagen. Er ließ den Motor an und folgte dem Pick-up durch die Dunkelheit.
*
Auf der Fahrt zu Bertram erzählte Roman über seine letzte Beziehung, die wegen seines Umzugs nach Stillwater zerbrochen war, und er deswegen daran zweifelte, dass Fernbeziehungen halten konnten. Dies sei neben seiner Arbeit als Dozent ein weiterer Grund gewesen, weswegen er sich nicht mehr bei ihr melden wollte. Naomi nickte. Sie verstand ihn. War sie nicht selbst jemand, der sich jede Entscheidung genau überlegte? Trotzdem hatte sie
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