Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
bei ihr, obwohl die Besucher zu jemand anderem im Wohnheim wollten. Wütend schlug sie die Bettdecke zurück. Sie riss das Fenster auf. »Zum Teufel! Kannst du nicht lesen, welcher Name auf der Glocke steht?«
Der Besucher trat ins Licht der Straßenlaterne. Roman sah nach oben. »Sorry. Ich wollte, ähm, Naomi?«
Naomi starrte in Romans Gesicht und schüttelte ungläubig den Kopf. »Du? Ich dachte ... Was machst du hier?«
Roman trat von einem Bein auf das andere. »Ich muss mit dir reden.«
Naomi strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie bemühte sich um einen klaren Gedanken. Roman stand vor ihrer Tür. Ein diffuses Kribbeln ergriff sie. Nach ihrem Treffen hatte sie jeden Abend auf diesen Moment gewartet. Und nun? Nun stand er vor ihrer Tür, und sie sah schrecklich aus. Die Haare ungekämmt, die Augen verquollen, das Gesicht ungeschminkt.
»Soll ich gehen?« Roman ging einige Schritte rückwärts.
»Gib mir fünf Minuten, ja? Ich muss mir nur schnell was anziehen.« Naomi schlug das Fenster zu, raste ins Badezimmer. Mit hektischen Bürstenstrichen bändigte sie ihr Haar. Mit einigen Spritzern kalten Wassers vertrieb sie die Blässe aus ihrem Gesicht, doch die verschwollenen Augen blieben. Nachdem sie sich ihre Leggins und ein frisches T-Shirt angezogen hatte, drückte sie auf den Türöffner. Mit pochendem Herzen blieb sie im Türrahmen stehen. Mit jedem Schritt, den Roman auf sie zukam, steigerte sich ihre Nervosität, bis er vor ihr stehen blieb. Naomi brachte es nicht fertig, Roman in die Augen zu sehen.
»Es ist spät, ich weiß. Du hast weder auf die Türglocke, noch auf das Telefon reagiert. Aber, ich muss dir einiges erklären. Heute noch.«
Naomi stand noch immer im Türrahmen. Sie trat einen Schritt beiseite und öffnete die Tür, um ihn durchzulassen. »Du bist mir keine Erklärung schuldig.«
Roman blieb in der Mitte des Studios stehen. »Ich finde schon.« Sein Blick fiel auf das ausgesteckte Telefonkabel, das vom Schreibtisch baumelte. Er nickte in Richtung des Kabels. »Du telefonierst wohl nicht gerne.«
Naomi schloss die Tür. Das Studio kam ihr plötzlich noch kleiner als gewöhnlich vor. Das aufgeschlagene Bett war die einzige Sitzgelegenheit, bis auf den Sessel am Schreibtisch. »Muss wohl herausgerutscht sein, als ich sauber gemacht habe.«
»Und die Türglocke?«, fasste Roman nach.
Naomi zuckte mit den Schultern. Sie wollte nicht über das Telefon oder die lästige Türglocke reden, sie wollte endlich wissen, warum er hier war. Roman schien Zeit zu schinden. Er sah sich um, obwohl es kaum etwas zu sehen gab. Nur das riesig wirkende Bett, welches das halbe Zimmer einnahm. Die andere Hälfte war mit Kleiderschrank und Schreibtisch zugestellt. Naomi drückte sich in die schmale Küchenzeile, um wenigstens ein bisschen Abstand zu Roman zu wahren. Roman schien die Enge nicht zu bemerken. Er deutete auf die Kaffeemaschine. »Könnte ich eine Tasse haben?«
Naomi nickte, froh, etwas tun zu können. Sie spürte Romans Blick in ihrem Rücken, während sie mit zitternden Fingern das Pulver in den Filter gab.
»Du wolltest mir etwas erklären«, hakte Naomi nach. Das Schweigen war ihr unangenehm.
Roman setzte sich auf die Bettkannte. »Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll«, stotterte er.
Naomi setzte sich auf die Herdabdeckung, die ein dumpfes Ploppen von sich gab, als sich die metallene Abdeckhaube eindellte. Die Tassen standen in einem Regal rechts hinter ihr. Um nicht nur Roman anzustarren, holte sie zwei Tassen heraus und stellte sie neben sich ab. Roman kämpfte immer noch mit sich. »Nun sag schon, was ist los?«, forderte sie ihn auf.
Roman stand auf und pilgerte auf den wenigen freien Flächen auf und ab. »Es ist ...«, er atmete tief durch. »Es ist kompliziert. Der Abend mit dir am See war schön. Ich bin aber Dozent an der Uni, an der du studierst«, begann er.
Naomi forschte in seinem Gesicht, in welche Richtung das Gespräch gehen könnte, konnte jedoch nichts daraus ablesen. Er wirkte angespannt. Seine Augenbrauen waren eng zusammengezogen, und seine Stirn lag in tiefen Falten.
»Außerdem wirst du in einem halben Jahr wieder fort sein. Das macht die Situation noch schwieriger. Du kannst dir vorstellen, was es für ein Gerede geben wird, wenn wir zusammen gesehen werden, oder?«
»Und du denkst, es gibt kein Gerede, wenn du nachts in meine Studentenbude kommst?«, warf sie sarkastisch ein.
Romans Gesichtszüge verspannten sich noch mehr. »Wenn du es niemandem
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