Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
erreichen. Und noch etwas ... mir liegt das abschließende Ergebnis der Obduktion von Frau Solvay vor ... es wurde ihr ein Medikament verabreicht, gegen das sie allergisch war. Sie ist letztendlich an einem Schock gestorben. Ach ja ... wir haben noch einen Toten. Gerster ist nicht mehr aus dem künstlichen Koma erwacht. Wir untersuchen das gerade. Scheint nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Bis morgen.«
Der Unbekannte schien sich aller Zeugen zu entledigen, die mit den Dokumenten zu tun gehabt hatten.
Langsam wurde mir bei dem Gedanken mulmig, dass doch jemand nach einem fein ausgeklügelten Plan arbeitete. Aber wer konnte solch ein Durcheinander anrichten, ohne den Überblick zu verlieren?
Noch vierundzwanzig Stunden, dann lief das Ultimatum ab.
Der nächste Tag wollte sein Ziel, die Geisterstunde, nicht erreichen. Zäh zog sich die Zeit dahin.
Die Seniorin hatte noch vor dem Frühstück wortlos das Haus verlassen, und Margot hatte sich kurz danach mit einem »Bis später!« empfohlen.
Ich begann das Geschehene zu ordnen und zu einer Story zu formen. Weit kam ich nicht. Mir fehlte immer noch der rote Faden,der der Geschichte den durchgängigen Sinn gab. Mir blieb nichts anderes übrig, als der Dinge zu harren und mir die Zeit mit Nichtstun zu vertreiben.
»Stell dir vor, die Kühlung ist manipuliert worden«, stürmte Margot gegen fünfzehn Uhr herein und riss mich aus meinen Gedanken, die sich wie ein Brummkreisel immer und immer wieder um ein und dasselbe Thema drehten. »Der Temperaturschreiber ist überbrückt worden, und die Zeitschaltuhr wurde vor vier Tagen zwischen Mitternacht und sechs Uhr auf Abtauen gestellt. In der Nacht sank die Außentemperatur nicht unter zwanzig Grad«, sprudelte sie weiter, »sodass das Eis in der Zeit seine kritische Temperatur erreichen konnte. Dann wurde es, sozusagen als Softeis, wieder gekühlt. Keiner konnte es merken. Ich war schon bei der Polizei.«
»Und wer sollte das getan haben?«, fragte ich, wobei ich mit den Gedanken eher bei Lisa war, die mir nicht aus den Kopf ging.
Margot verstand meine beiläufige Frage. »Verzeihung. Das sind wirklich Lappalien gegen die Entführung eines Kindes. Aber ich musste es loswerden, sonst würde ich Mutter den Kragen umdrehen.«
»Was hat die schon wieder angerichtet?«, wollte ich mit einer Spur mehr Interesse wissen.
Sie stellte die Kaffeemaschine an und deckte den Tisch.
Nach der Café-Mirabelle-Prozedur schob sie mir eine Art Kalender zu. Es war das Service-Buch der Kältemaschinen.
»Ja, und?«, blätterte ich ziellos darin herum.
»Wir haben einen Wartungsvertrag mit der Herstellerfirma. Gehabt. Mutter hat diesen in ihrem Sparwahn vor einem Jahr gekündigt und einen billigeren örtlichen Service genommen.«
»Sparen ist immer gut«, grinste ich.
»Ja, aber nicht am falschen Ende.« Margot lief rot an und verdoppelte die Mirabelle-Menge in ihrem Kaffee. »Ich war bei diesem Betrieb und habe mir die Unterschriften der Wartungstechniker in diesem Buch entziffern lassen, und was glaubst du, wer die Anlage zu diesem Zeitpunkt gewartet hat?«
»Bin ich Jesus?«, zuckte ich mit den Schultern.
»Ein Heinrich Wolter, seines Zeichens Messner – oder Küster, wie ihr sagt – im Münster. Der Kerl verdient sich so nebenbei bei dieser Firma ein paar Euros. Und weißt du, wem das Unternehmen gehört?« Sie zündete ein Zigarillo an und verstärkte die Kaffeemischung in Richtung Schnaps. »Der Verwaltungsgesellschaft eines Dr. Simonte.«
»Hoppla!«, entfuhr es mir. Jetzt war ich wieder ganz bei der Sache.
»Denkst du jetzt, was ich vermute?«, beugte sie sich zu mir. »Ich habe mal erst Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Bis diese Trottel dahinterkommen, ergibt sich vielleicht heute Nacht etwas für dich daraus. Wenn nicht, kann ich die Polizei ja immer noch schlau machen. An dem Faktum der Salmonellen ist nun mal nicht zu rütteln. Das Verfahren gegen mich ist eingeleitet. Es eilt also nicht.«
Wieder ein Bauer mehr auf dem Spielfeld, an den ich noch nicht gedacht hatte. Dass dieser Mensch in meiner untersten Sympathie-Schublade lag und Pater Lutz ihn als seine Augen und Ohren bezeichnet hatte, hatte mich blind für ihn gemacht.
Noch sechs Stunden bis zum Ultimatum, als die alte Dame nach Hause kam.
Wortlos verschwand sie in ihren Räumen. Margot schüttelte den Kopf.
»Dickschädel,verdammter. Wenn der was nicht passt, schmollt sie tagelang. Ich frage mal, ob ich ihr was zu essen machen soll«, sagte sie, kam
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