Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
Paneel in der Orgelverkleidung beiseite und wartete, bis ich hindurchgeschlüpft war. Er schloss die Tür hinter uns und quetschte sich mit einer Taschenlampe an mir vorbei.
Eine knarrende Wendeltreppe führte hinab. Je tiefer wir stiegen, umso dumpfer wurde die Luft. Ich folgte seinem Schatten, der sich im Lichtkegel wie ein Scherenschnitt vor mir her bewegte.
Der Gang war eng und glitschig. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir uns durch Heerscharen von Ratten bewegten. Ich verlor jedes Zeit- und Orientierungsgefühl. Eine Abzweigung folgte der anderen. Ohne Führung war hier jeder hoffnungslos verloren.
Nach Stunden – oder waren es nur ein paar Minuten - erreichten wir eine Treppe, die wieder nach oben führte. Der Organist klopfte an eine Tür in einem Rhythmus, der sich wie ein Zeichen anhörte.
Die Pforte schwang auf. Ein Wesen in einer Kutte, dessen Gesicht von einer Kapuze verdeckt wurde, murmelte etwas, was sich wie »Folgen Sie bitte!« anhörte.
Die Gänge wurden breiter und beleuchteter. Ein Treppenhaus folgte, mit einer breiten Steintreppe, die mit einem kunstvoll geschnitzten Geländer versehen war. Ein schmiedeeiserner Kronleuchter, der vom Abschlussstein eines romanischen Gewölbes herabhing, beleuchtete einen kleinen Innenhof.
Der Mönch klopfte an eine Holztür, die mit ihren Schnitzereien und Intarsien an sich schon ein Kunstwerk war. Mir fiel auf, dass der Organist nicht mehr hinter mir ging.
Die Tür wurde geöffnet, und mein Begleiter bedeutete mir einzutreten.
Außer dem Kaminfeuer war eine kleine Schreibtischlampe alles, was versuchte einen fürstlich bemessenen Raum zu erleuchten. Die Flammen des Feuers schafften es nicht, mit der Lampe eine Leuchtbrücke herzustellen, um dem Raum einen plastischen Eindruck abzugewinnen. Er blieb groß und dunkel.
»Kommen Sie. Setzen Sie sich zu mir. In diesen Gemäuern wird es auch im Sommer nie richtig warm«, kam eine Stimme vom Kamin, und eine Hand aus einem Sessel deutete auf einen Stuhl direkt am Feuer.
Ich zögerte.
»Kommen Sie schon. Ich spendiere auch einen sehr alten Mirabelle und eine hervorragende Zigarre. Gegessen haben Sie ja schon.«
Ich hatte die alten Edgar-Wallace-Filme immer für übertriebenen Blödsinn gehalten, aber genau die fielen mir in dieser Situation ein. In meinem Bauch bildete sich ein Klumpen. Bisher war ich ein stiller Beobachter gewesen, den man manipuliert hatte, wie es gerade gebraucht wurde. Aber ich war nie direkt betroffen gewesen. Das waren immer nur die anderen. Ich versuchte meinen Kobold zu erreichen, aber der schwieg sich aus. Mein Instinkt schwieg.
»Seit wann sind Sie schüchtern?«, kam es aus dem Sessel.
Vorsichtig tastete ich mich um Einrichtungsgegenstände herum an den angewiesenen Platz und rutschte hinein.
Das plötzliche Erscheinen des Papstes oder eines weltweit gesuchten Terroristen hätte mich nicht so überrascht,wie ...Pater Lutz.
»Wa ..., wa ..., was soll das denn?«, war alles, wozu ich fähig war.
Lutz lächelte, was bei der einseitigen Beleuchtung des Kaminfeuers wie eine halbseitige Fratze wirkte.
»Entspannen Sie sich. Trinken wir erst einmal auf die französische Gastfreundschaft.«
Er hielt mir mit einer ausladenden Bewegung das Glas hin. Der Cognac folgte dem Schwung und lief ölig an der Innenwand zurück.
»Sie Banause«, tadelte er mich, nachdem ich den Inhalt in einem Zug hinuntergekippt hatte. »Fressen Sie die Zigarre bitte nicht auch gleich auf. Kostet zwanzig Euro das Stück. Hat mir ein Freund aus Kuba mitgebracht.«
Er knipste das Mundstück an und reichte sie mir.
»Rauchen müssen Sie schon selbst. Darf ich nachschenken?«
Er wartete, bis die ersten Schwaden den Raum durchzogen.
»Sie wollen doch eine Story? Habe ich zu viel versprochen?«
Der Schnaps und der Tabak ließen mich langsam wieder die Fassung gewinnen.
»Wo ist Lisa?«, fragte ich betont kühl.
»Langsam.« Er hob beschwichtigend die Hände. »Es gibt vorher bestimmt noch andere Fragen zu klären. Aber zu Ihrer Beruhigung: Sie ist hier und in Sicherheit.«
Er sah mir an, dass meine Lebensgeister dabei waren, den Schock zu überwinden ...
»Keine Hektik. Die Zigarre verträgt so etwas nicht. Ich habe Ihnen die Story versprochen, und die bekommen Sie. Nur, etwas ist schiefgelaufen, was ich nicht bedacht habe. Dazu brauche ich Sie. Aber es ist spät geworden. Betrachten Sie sich als mein Gast. Wir reden morgen weiter.«
Er drückte auf etwas unterhalb seiner Armlehne und erhob
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