Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
deren Eingang er geparkt ist ... oder war.«
»Dann kümmere dich gefälligst darum. Ich gehe duschen«, schmollte sie und ließ mich stehen.
Obwohl mich der Inhalt des Paketes mehr interessierte als der Verbleib eines Autos, konnte ich mir eine schlecht gelaunte Gastgeberin nicht erlauben. Die Telefonnummer war schnell gefunden.
» Oui, Monsieur «, meldete sich eine freundliche Frauenstimme. »Der silbergraue Mercedes gehört Ihnen? Den haben wir gestern abschleppen lassen. Das ist billiger, als jede Stunde einen neuen Strafzettel wegen Überziehung der Parkzeit zu bekommen.«
Sie gab mir die Adresse, wo ich den Wagen auslösen konnte.
»Dort sagt man Ihnen auch, wo er abgestellt wurde. Hat Ihnen Strasbourg gefallen?«
»Dann nimm mal ein paar hundert Euro mit«, kommentierte Margot meine positive Nachricht. »Ich mache mir was zum Essen. Hast du eventuell auch schon wieder Appetit?«
»Was gibt’s denn?«
»Gulasch aus der Dose.«
Ich lehnte dankend ab und machte mich über den Karton her.
Er enthielt eine Kassette aus Blech, die mit einem Schnappriegel verschlossen war. Der Inhalt bestand aus Fotokopien.
»Schau dir das mal an.« Ich kippte den Papierstapel auf den Tisch. »Das sind alles beglaubigte Kopien von Pater Lutz’ gesammelten Beweisen, dass die Este die eigentlichen Eigentümer des Münsterplatzes sind.«
»Ich hätte doch besser von dem Schinken essen sollen«, mümmelte Margot und spuckte den Bissen in eine Serviette. »Und was machst du jetzt damit?«
»Sie meinem Chef um die Ohren hauen«, jubelte ich, denn ich hatte den Artikel so verfasst, dass ihn kein Redakteur einer Zeitung drucken würde, wenn die von mir aufgestellten Behauptungen nicht vor jedem Gericht Bestand haben würden. Auch das hatte Lutz vorausgesehen und mir die Beweise für die Richtigkeit seiner Aussagen geliefert.
»Ist dir eigentlich als Nichtbürger dieser Stadt klar, was das bedeutet?« Margot blätterte in den Papieren und zog ein bedenkliches Gesicht. »Wenn der damit durchkommt, bringt er die ganze Infrastruktur am Münster ins Wanken. Nicht nur, dass es eine Pleitewelle bis in die Zuliefererebene geben wird, sondern es werden auch Köpfe rollen, bis in den Landtag. Selbst der Klerus wird einige Probleme haben zu erklären, wer denn nun der wahre Besitzer des Münsterplatzes ist. Dieser Lutz ist ein Psychopath, der dabei ist, einen neuen Glaubenskrieg anzuzetteln. Nicht auszudenken, wenn jetzt jeder Adlige in seinen Archiven kramt, um sein ehemaliges Eigentum zurückzufordern, nur weil ein 1932 erlassenes Gesetz nie revidiert worden ist. Überleg dir das, wenn du mit deinem Chef sprichst.«
Mir war wohl bewusst, was es für Konsequenzen haben würde, wenn Lutz dieses Ding durchzog. Aber es war sinnlos, ihr zu erklären, dass es nicht Aufgabe des Journalisten war, sich den Kopf seines Verlegers zu zerbrechen. Die Story hatte wasserdicht zu sein, sonst nichts. Wer sich von uns Schreibern Gedanken über die Tragweite seiner Tätigkeit machte, konnte umschulen. Nein. Das war meine Story und der Aufreißer für viele Wochen.
»Du vergisst, dass Lutz sein Leben aufs Spiel setzt, um an dieses Testament zu kommen. Eine andere Chance hat er nämlich nicht. Und wenn er das so will, hat er diese Möglichkeit mit einbezogen. Er ist clever genug, um zu wissen, was er tut. Ist letztendlich nicht mein Problem.«
»Du bist auch nicht besser als er. Mach doch, was du willst.«
Margot stemmte sich auf geballten Fäusten vom Tisch hoch und schaute mich resignierend an.
»Das würde dir als Schlagzeile noch gefallen: Millionen-Pater umgebracht! Beschaffe mir bis morgen mein Auto, sonst werde ich sauer.«
Mein Chefredakteur war ebenfalls nicht bester Laune.
»Verdammt noch mal. Wo stecken Sie? Geht Ihr Handy nicht? Was soll ich mit diesem Artikel? Wenn Sie mir nicht schwören, dass Sie das alles Buchstabe für Buchstabe beweisen können, dann versetze ich Sie vor den Deich. Da können Sie über Ebbe und Flut berichten, bis Sie ersoffen sind. Sie haben bis zum Druck noch sechs Stunden, um mir diese Beweise zu bringen. Die Titelseite halte ich so lange offen.«
Eine Stunde später brachte mir der Computerladen, bei dem ich den Laptop gekauft hatte, einen Scanner vorbei. Es gab keine andere Möglichkeit in dieser kurzen Zeit, als so viele der Kopien wie möglich einzulesen und der Redaktion als Datei zu übermitteln.
Ich suchte aus den mehr als fünfhundert Blättern die aus, die erkennbar mit unterschiedlichen
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