Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
wurde Margot wütend. »Was soll dieser Artikel, und warum rückt er nicht mit Lisa raus? Überhaupt, was soll ich hier?«
»Er braucht einen unbeteiligten Zeugen, der aber auf meiner Seite steht, damit er beweisen kann, dass ich nicht unter Zwang gehandelt habe.«
»Und wie nennst du das hier? Sind wir etwa freiwillig hier?«
Ich lächelte. »Du schon, im juristischen Sinn. Mich hat er vor weiteren Anschlägen in Sicherheit gebracht. Mehr kann von uns keiner aussagen. Kapierst du das?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht«, gab ich zu.
»Bitte Sachen packen«, unterbrach Orchus. »Abfahrt in fünf Minuten.«
Er stand wie ein Baum im Raum, steckte die Hände in die Ärmel seiner Kutte und schaute unbeteiligt durch uns hindurch.
»Glaubst du, der sagt uns wohin?« Margot verzog das Gesicht, in dem sich schon die Antwort spiegelte, dass ihre Frage rein rhetorisch gewesen war.
»Probier es. Vielleicht steht er außer auf Knastbrüdern auch mal auf Frauen«, sarkastete ich und ging meine Habseligkeiten packen.
Orchus chauffierte unseine Stunde nach Süden.
»Wir sind hier irgendwo auf der Rückseite der Vogesen«, kommentierte Margot die Gegend.
Orchus hatte seit der Aufforderung zum Aufbruch keinen Ton mehr von sich gegeben. Nach einer weiteren Stunde wies eine Tafel am Straßenrand darauf hin, dass wir uns Colmar näherten.
Der Pater bog in den Innenhof eines schlossähnlichen Gebäudes ein.
Zwei Nonnen schlossen das Tor hinter uns.
»Bitte aussteigen«, befahl er.
»Das ist dochmal etwas anderes. Jetzt wirst du zur Nonne und ich euer Abt«,spottete ich, als eine hagere Frau in Ordenskleidung mit einem fein zisilierten Kreuz auf der Brust auf uns zukam.
Margot sah mich schief an. »Dass ältere Herren sich mit zunehmenden Alter überschätzen, ist ja nicht neu. Aber du leidest ja schon an Wahnvorstellungen ...«
»Ich bin Mutter Ursula, die Äbtissin«, stellte sich die Frau vor, deren Alter unter der Haube nicht zu schätzen war. »Ihr Besuch wurde uns schon von Pater Lutz avisiert. Folgen Sie mir bitte.«
Sie führte uns in einen Raum, der wie der Speisesaal des Klosters eingerichtet war.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Wasser oder einen selbst gekelterten Cidre?«
Sie winkte eine Schwester herbei, die etwas abseits gewartet hatte.
»Schwester Johanna, bitte kümmern Sie sich um unsere Gäste. Mich entschuldigen sie bitte für einen Augenblick. Ich komme gleich zurück.«
»Hätten Sie ein Telefon, das ich benutzen dürfte?«, rief ich ihr nach.
Mutter Ursula drehte sich in der Tür um. »Ja, natürlich. Im Büro. Ich werde es Ihnen nachher zeigen.«
»Was hast du vor?«, flüsterte Margot.
»Die Redaktion noch mit ein paar Zusatzinformationen versorgen«, tuschelte ich zurück.
»Du spinnst«, grollte sie. »Doch nicht von hier aus, wo jeder mithören kann.«
»Doch, gerade deshalb. Lutz kann den Artikel nicht mehr aufhalten.«
Eine noch jüngere Schwester brachte Kaffee für Margot und Cidre für mich und ein Brett mit einer Keule luftgetrocknetem Schinken und Brot.
»Wie kann ein Mensch bloß ständig ans Fressen und Saufen denken«, zischte sie, nachdem ich mich über den Schinken hergemacht hatte. »Du hast doch eben erst Mittag gehabt.«
»Nacktes Fleisch erregt mich nun mal.«
»Bist du still! Wir sind hier im Kloster ...«
»Eben. Deshalb wird hier gut gegessen und getrunken. Das lenkt ab.«
»Rindvieh. Friss weiter«, kommentierte sie meine Anspielung und grinste.
Mutter Ursula entschuldigte sich und stellte schwer atmend einen Karton auf den Tisch. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Das musste ich erst im Keller suchen. Pater Lutz hat mich gebeten, Ihnen das zu übergeben.«
»Was ist das?«
»Ich weiß es nicht«, zuckte die Nonne die Schultern. »Es ist schwer wie Blei. Ach und noch etwas, ich habe Ihnen ein Taxi bestellt. Pater Orchus musste zu einem Notfall.«
»Notfall?«
»Ja, er ist Tierarzt, und in der Nachbargemeinde hat eine Stute Probleme mit der Geburt.«
»Wolltest du nicht mit der Redaktion telefonieren?«, erinnerte mich Margot.
»Nein. Ich schaue mir erst mal den Inhalt des Pakets an, bevor ich denen was Falsches sage.«
»Wo hast du eigentlich meinen Wagen gelassen?«, wollte sie wissen, als wir wieder vor dem Haus der Hofmanns angelangt waren.
»Oh verdammt.« An den hatte ich nicht mehr gedacht. »Der ist entweder geklaut, oder die Polizei hat ihn abgeschleppt. Vielleicht weiß die Touristeninformation mehr, vor
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