Im Schatten des Palazzo Farnese
bemerkte Nero matt.
»Das stimmt«, räumte Claudius ein.
Diese heilsame Feststellung besänftigte ihn ein wenig.
»Bald werde ich den Beweis erbracht haben, daß Ihr Vater nicht wegen des Michelangelo nach Rom gekommen ist«, fuhr Valence fort. »Er hat von Gabriella erfahren und kam her, um zu begreifen und zu sehen, was man achtzehn Jahre lang vor ihm geheimgehalten hat. Alle drei sind Sie Komplizen von Laura Valhubert, Sie haben sich perfekt abgesprochen und ihn in einem fort angelogen.«
»Wir haben nicht gelogen«, erklärte Claudius. »Wir haben nur nichts gesagt. Das ist etwas ganz anderes. Schließlich ist Gabriella nicht seine Tochter.«
»So lautet auch Monsignore Vitellis Argument«, sagte Valence.
»Lieber Monsignore …«, flüsterte Nero.
»Was treibt er so mit Gabriella?« fragte Valence.
»Er treibt Zuneigung«, erwiderte Tiberius brüsk.
»Nun, Monsieur Valence«, sagte Nero, erhob sich und drehte anmutig eine Runde durchs Zimmer. »Es ist Zeit, einzuschreiten, bevor Sie auf triviale Gedanken kommen. Denn Sie sind schon im Begriff, auf triviale Gedanken zu kommen. Der liebe Monsignore ist schön. Die liebe Gabriella ist schön. Der liebe Monsignore liebt Gabriella. Der liebe Monsignore vernascht Gabriella nicht.«
Tiberius verdrehte die Augen. Wenn Nero so anfing, war er kaum mehr zu stoppen.
»Der liebe Monsignore«, fuhr Nero fort, »kümmert sich seit sehr langer Zeit um Gabriella, nach allem, was man mir gesagt hat. Der liebe Monsignore kommt sie freitags besuchen, manchmal auch dienstags, man ißt ziemlich viel Fisch, aber sonst passiert nichts weiter. Vom Fisch abgesehen sind das reizende Abende, und der liebe Monsignore bringt uns eine Menge feinster Kultur bei, die zu absolut nichts nutze ist, aber sehr angenehm. Wenn er geht, sehenwir ihm nach, wie er in seiner schwarzen Robe mit den lila Knöpfen die schmutzstarrende Treppe hinuntergeht, wir werfen den Fisch weg, holen das Fleisch raus und bereiten für den nächsten Tag unsere fürstliche Reden an das römische Volk vor. Was hat das alles mit Henri Valhubert und dem Gefleckten Schierling zu tun?«
»Durch Henri Valhuberts Tod erben Laura und Claudius den größten Teil seines Vermögens«, erklärte Valence. »Gabriella tritt aus dem Schatten, Claudius tritt aus dem Schatten, alle treten aus dem Schatten.«
»Einfallsreich und originell«, bemerkte Nero angewidert.
»Mord ist selten originell, Monsieur Larmier.«
»Sie können mich Nero nennen. Ich mag bisweilen die Einfachheit – in manchen ihrer Formen.«
»Henri Valhubert war im Begriff, sich von Gabriellas Existenz zu überzeugen. Der Skandal stand unmittelbar bevor, die Scheidung von Laura war gewiß, der Verlust des Vermögens sicher. Hat Gabriella einen Freund?«
»Laß mich antworten, Nero, bitte«, mischte sich Tiberius rasch ein. »Ja, sie hat einen Freund. Er heißt Giovanni, ist ein Junge aus Turin mit gewissen Qualitäten, gefällt aber Monsignore nicht sehr.«
»Was wirft er ihm vor?«
»Etwas auffallend Animalisches, glaube ich«, sagte Tiberius.
»Er scheint auch Ihnen nicht zu gefallen?«
»Der liebe Monsignore kennt sich nicht gut in den eher handfesten Liebesdingen aus«, unterbrach ihn Nero. »Was Tiberius betrifft, so hält ihn sein natürlicher Adel zu Recht von groben Instinkten fern.«
»Versuch dich bitte ein wenig zu zügeln, Nero«, zischte Tiberius.
Claudius sagte nichts, er war schlaff auf einem Stuhl zusammengesunken. Valence beobachtete, wie er erschöpftden Kopf in den Händen hielt. Tiberius bemerkte diesen Blick.
»Versuchen Sie nicht, Claudius zu befragen«, sagte er und bot ihm eine Zigarette an. »Seitdem er seinen Vater ermordet hat, um Laura und Gabriella zu schützen und sich sein Vermögen anzueignen, ist Kaiser Claudius ein wenig durcheinander. Es ist sein erster Mord, Sie müssen ihn entschuldigen.«
»Sie übertreiben, Tiberius.«
»Ich bin Ihnen nur voraus.«
»Claudius steht nicht allein zur Diskussion. Gabriella ist durch Valhuberts Tod noch weit mehr begünstigt, da sie zuvor im Dunkel bleiben mußte. Auch ihr Freund Giovanni hätte für sie handeln können. Und schließlich gibt es noch Laura Valhubert.«
»Laura war in Frankreich«, rief Claudius und richtete sich auf.
»In der Tat, das hat man mir bereits gesagt«, bemerkte Valence und erhob sich.
18
Als Valence die Wohnung der drei jungen Männer verließ, war es dunkel geworden, und er mußte das Treppenlicht anmachen. Vorsichtig ging er Stufe für Stufe
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