Im Schatten des Palazzo Farnese
in der Kirche auf, in der ich damals die Messe las, etwa hundert Kilometer von Rom entfernt. Sie wollte, daß ich während ihrer Abwesenheit auf ihre Tochter achtgebe. Sie sagte, nur in mich habe sie Vertrauen, und die Kleine würde mich schon so lange kennen. Laura war erschütternd in ihrer Bitte, und natürlich habe ich eingewilligt. Ich wäre nicht mal auf die Idee gekommen, abzulehnen. In Absprache mit Laura habe ich dann die besten Schulen für Gabriella ausgesucht. Nach und nach habe ich sie in Einrichtungen untergebracht, die sich in der Nähe meiner verschiedenen Pfarrstellen befanden. Als ich in den Vatikan berufen wurde, habe ich sie nach Rom kommen lassen. Laura kam sie regelmäßig besuchen, aber ich war es, der sich im Alltag um Lehrer, Ärzte, Ausflüge und so weiter kümmerte. In allden Jahren ist sie mir ans Herz gewachsen und mehr oder weniger meine eigene Tochter geworden. Ich bin ein Bischof mit Vaterfreuden … und das gefällt mir recht gut. Aufgrund von Lauras herrischem Willen, der sich nie gewandelt hat, wurde Henri gegenüber nie etwas darüber geäußert, davon abgesehen aber ist alles ohne Heimlichtuerei vor sich gegangen. Alle meine Kollegen hier wissen von Gabriella wie auch von ihrer vorehelichen Geburt, und Gabriella selbst kennt ihre Geschichte ebenfalls. Da Sie es ohnehin bald erfahren werden, kann ich Ihnen gleich sagen, daß auch Claudius Valhubert weiß, wer Gabriella ist. Seit er in Rom studiert, sind sie unzertrennlich. Und was Claudius weiß, wissen natürlich auch Tiberius und Nero.«
»Ja, es haben sich alle sehr gut arrangiert, um aus Henri Valhubert den Betrogenen zu machen«, bemerkte Ruggieri.
»Ich sagte es Ihnen: Ich war mit Lauras Entscheidung nicht einverstanden. Wenn Sie jetzt denken, ich hätte mich zum Komplizen eines schweren Übels gemacht, als ich einwilligte, dem Kind auch unter diesen Umständen zu helfen, ist das Ihre Sache. Ich würde dasselbe wieder tun, wenn es noch einmal zu entscheiden wäre.«
»War Ihnen das Ihrem Freund Henri Valhubert gegenüber nie unangenehm?«
»Nie. Was ging es ihn denn an? Hätte er davon erfahren, wäre er durchaus der Mann gewesen, sich deswegen entehrt zu fühlen, und das hätte nichts gebessert. Vielleicht gibt es in Lauras Verhalten auch Dinge, die wir nicht wissen: die Sorge, zum Beispiel, ihr Mann könnte den Vater des Kindes ausfindig machen wollen, um ihn dann zu bedrohen. Oder stellen Sie sich vor, Laura kennt diesen Vater, entgegen ihrer steten Aussage, und fürchtet ihn. Wissen Sie, in solchen Angelegenheiten ist alles möglich. So war es zweifellos schon besser, zu tun, was sie getan hat, nämlich die Dingesich langsam setzen zu lassen, anstatt das Innerste nach außen zu kehren.«
»Sie haben merkwürdige Ansichten, Monsignore.«
»Das liegt daran, daß da oben die Luft kräftiger ist«, bemerkte Vitelli lächelnd. »Hier, nehmen Sie das, darin finden Sie ein paar Fotos von Laura und ihrem Kind.«
Lorenzo Vitelli sah zu, wie der Polizist das Album durchblätterte. Valence warf über dessen Schulter einen Blick hinein. Es gefiel dem Bischof nicht, daß die Polizei sich Gabriella derart näherte. Hatten sie die Absicht, sie zu verhören?
»Warum die ganze Aufregung?« fragte er Ruggieri. »Ist es so außergewöhnlich für eine Frau, eine Tochter zu haben?«
»Nehmen wir an, Henri Valhubert wäre nicht wegen des Michelangelo nach Rom gekommen, sondern weil er von Gabriella Delormes Existenz erfahren hätte. Das würde seine überraschende Reise erklären, die, so scheint es, überhaupt nicht zu seinen sonstigen Gewohnheiten paßte. Nehmen wir an, er hätte andere hinters Licht führen wollen, indem er vermeintlich kam, um in der Vaticana nachzuforschen, in Wirklichkeit aber die Herkunft Gabriellas überprüfen wollte. Der Skandal, der damit drohte, hätte Laura Valhubert irreparablen Schaden zugefügt. Henri hätte sich scheiden lassen. Sie wissen genau, daß Madame Valhubert keinen Sou besitzt.«
»Als ihr Mann umgebracht wurde, war Laura in Frankreich«, wandte Vitelli ein.
»Natürlich, sie ist nicht schuldig. Aber Laura Valhubert ist nicht irgend jemand, es gibt viele Menschen, die ihr sehr ergeben sind. Nicht wahr, Monsignore? Claudius oder Gabriella beispielsweise wären bereit, sehr viel zu tun, um sie zu schützen. Hinzu kommt, daß sie beide eine Rechnung mit Henri Valhubert offen hatten und durch seinen Todüberdies auch noch reich werden. Nun, all das fügt sich zusammen und kann durchaus zu
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