Im Schatten des Palazzo Farnese
Shorts. Das war alles, was er anhatte.
»Ja«, sagte Nero, »Sie haben recht, ich bin unbehaart. Und das erstaunt Sie, weil das bei einem Typen meines Alters selten ist. Ich finde es hübsch. Sagen wir, es ist speziell. Ja, genau, es ist speziell. In Wahrheit ist es nur Schein, ich lasse mich epilieren. Aber beruhigen Sie sich, sobald ich die römische Welt wieder verlassen haben werde, was, fürchte ich, nicht so bald der Fall sein wird, werde ich mich dieser Fron entledigen. Denn es ist eine Fron, stellen Sie sich vor. Sie müssen sich auf mein Wort verlassen, denn ich bezweifle, daß Sie den Versuch je gewagt haben. Das Epilieren ist interessant, aber es dauert seine Zeit und ist bisweilen recht schmerzhaft. Glücklicherweise wiegt die Entschädigung das auf. Derart vorbereitet und für den äußeren Schein etwas nackter, als Sie mich jetzt sehen, stelle ich mich inMuseen zur Schau. Ganz richtig. Ich steige auf einen Sockel und nehme eine Pose ein. Die Leute scharen sich um mich, bewundern mich, geben liebenswürdige Kommentare ab, die mich überreich für mein Opfer entlohnen.«
»Nero, mein Lieber, du interessierst den Herrn nicht.«
»Ah! Tiberius. Tritt ein, Tiberius. Das mag daran liegen, daß der Herr sich vielleicht nicht für antike Statuen interessiert. Tiberius, erlaube mir, daß ich ihn dir vorstelle …«
»Nicht nötig«, unterbrach ihn Valence. »Wir kennen uns bereits.«
»Eine Begegnung bei irgendeiner Orgie?« fragte Nero und ließ sich in einen Sessel fallen.
Tiberius stand an die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, er sah Richard Valence an und lächelte kaum merklich. Er war immer schwarz gekleidet, und das war neben seinem Freund Nero ein seltsames Schauspiel.
»Ja«, sagte Valence langsam, während er sich eine Zigarette anzündete. »Kaiser Tiberius folgt mir seit meiner Ankunft. Sehr höflich, übrigens, und ohne sich zu verstecken. Ich habe mir noch nicht einmal die Mühe gemacht, ihn nach dem Grund zu fragen.«
»Dabei ist er ganz einfach«, bemerkte Nero seufzend. »Sie gefallen ihm, ich sehe keinen anderen Grund. Er liebt sie. Nicht wahr, Tiberius?«
»Ich weiß es noch nicht«, antwortete Tiberius, noch immer kaum merklich lächelnd.
»Was habe ich Ihnen gesagt?« fuhr Nero fort. »Im Grunde gesteht man Liebe ja nie ein, alle Welt weiß das. Außerdem ist Tiberius ein sehr empfindlicher Junge, der …«
Claudius schlug heftig auf den Tisch. Alle wandten sich gleichzeitig nach ihm um.
»Seid ihr bald fertig mit eurem Blödsinn?« brüllte er. »Ich vermute, Sie sind nicht hier, um Neros Wahnvorstellungen zu analysieren, Herr Sondergesandter? Also, wenn Sieschon gemein sein müssen, dann seien Sie es sofort, verdammt! Was haben Sie in Ihrer Tasche, was in Ihrem Kopf? Scheiße? Sehr gut! Also los, raus damit, verdammt!«
Tiberius sah seinen Freund an. Claudius war bleich, seine Stirn schweißnaß, er hatte sich gewiß nicht die Zeit genommen, seinen Gesprächspartner richtig einzuschätzen. Diesem war nicht mit Ungeduld und Beschimpfungen beizukommen. Valence war stehen geblieben und stützte sich mit beiden Händen auf einen Tisch hinter sich. Tiberius sah ihn jetzt aus einer Nähe, die ihm während seiner Beschattungen nicht möglich gewesen war. Valence war breit und kompakt, und sein Gesicht entsprach seinem Körper. All das bemerkte Tiberius, er sah aber auch, daß Claudius es nicht bemerkte. Tiberius sah, daß Valence sehr ungewöhnliche Augen hatte, von einem seltsamen Blau und einer prachtvollen Klarheit, und daß er sich ihrer bediente, um andere zu unterwerfen. Er sah, daß Claudius in seiner hysterischen Erregung diesem Valence volle Angriffsfläche bieten würde, und es war offensichtlich, daß er dem nicht gewachsen wäre. Tiberius stellte sich rasch zwischen die beiden, bot Valence an, sich zu setzen, und setzte sich seinerseits. Valence war ein Mann, den man besser sitzend vor sich hatte.
»Warum sind Sie gekommen?« fragte Tiberius ruhig.
Valence hatte Tiberius’ Schutzmanöver bemerkt und war ihm mehr oder weniger dankbar dafür.
»Sie drei haben es schlicht unterlassen, die Polizei über die Existenz von Gabriella Delorme zu informieren«, erklärte er.
»Warum hätten wir das tun sollen?« schnaubte Claudius. »Was hat das mit Papa zu tun? Was denn noch? Müssen wir unser ganzes Privatleben beichten? Wollen Sie auch noch die Farbe meines Schlafanzugs wissen? Ja?«
»Gott sei Dank trägt er keinen Schlafanzug, beruhigen Sie sich«,
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