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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Gabriella lächelnd. »Nero hat alles vergessen. Nero, hör auf, an deinem Auge zu ziehen, das sieht nicht schön aus.«
    »Und Laura«, begann Claudius und wandte sich Nero zu, »weißt du wenigstens, wer Laura ist?«
    »Ja!« erklärte Nero und bewegte einen Arm. »Göttliche Silhouette, ein verschlingendes Lächeln …«
    »Gut«, fuhr Claudius fort. »Nero erinnert sich an Laura, das ist schon mal etwas. Laura und Bischof Lorenzo Vitelli sind Freunde aus Kindertagen. Kannst du folgen? Sie sind gemeinsam irgendwie aufgewachsen, wie das Gras, in derselben heruntergekommenen Straße in einer Vorstadt von Rom.«
    »Haben Sie wenigstens miteinander geschlafen?« fragte Nero.
    »Dreckskerl«, erwiderte Gabriella.
    »Herrlich. Man braucht nur mit der lila Robe des Bischofs zu wedeln, und schon regt sich Gabriella auf. Entschuldige, meine Hübsche. Nimm es als Kompliment: Mit fast Fünfzig ist dein Lorenzo noch immer ein schöner Mann. Klar gezeichnetes Gesicht, silbriges Haar. Einfach vollkommen. Was für ein Jammer, daß die Religion … Nun gut. Das ist seine Sache. Also, Claudius, sie sind gemeinsam aufgewachsen, und weiter?«
    »Laura und Lorenzo Vitelli sind wie zwei Finger einer Hand, in allen Ehren, ob dir das paßt oder nicht. Als mein Vater Lorenzo in Rom kennenlernte, war er erst Koadjutor. Er kann noch keine Dreißig gewesen sein und war schon ein schrecklich gebildeter Kerl. Sie haben sich wunderbar verstanden, und Lorenzo hat meinem Vater Laura vorgestellt. So war das. Vor achtzehn Jahren hat mein Vater dann Rom verlassen und Laura mitgenommen. So war das. Wenn er seitdem in der kühlen Jahreszeit nach Rom kommt, versäumt er es nie, ihn zu besuchen. Mein Vater hat einen Großteil von Lorenzos Arbeiten über die Renaissance veröffentlicht. Verstehst du? Und wirst du dich nun auch daran erinnern?«
    »Nicht unbedingt«, erwiderte Nero. »Claudius, du trinkst ganz allein. Das ist sehr bedenklich. Laß mich dich ein Stückchen Weges auf deiner Höllenfahrt begleiten.«
    »Das ist lieb von dir, aber mach dir keine Umstände. Ich finde meinen Weg schon ganz allein.«
    »Ich bestehe darauf, Claudius, und ich mach’s gern. An der ersten Station laß ich dich raus.«
    »Na, dann fang!« rief Claudius und warf ihm ein Glas zu. »Und gute Fahrt, Lucius Domitius Nero!«
    »Danke, Claudius Drusus. Du bist ein Bruder.«
    Später war Gabriella eingeschlafen. Tiberius holte die Bettdecke, deckte sie zu und schloß die Balkonfenster. Er legte sich Neros Arm über die Schulter und brachte ihn die drei Stockwerke hinunter. Mit dem leichteren Claudius hatte er weniger Mühe. Unten setzte er beide wie zwei Säcke ab, ging wieder hoch, um das Licht auszumachen und die Wohnung abzuschließen, und schleppte die beiden Freunde dann zu ihrem Haus auf der anderen Seite des Flusses. Von Zeit zu Zeit versuchte Nero etwas zu sagen, und Tiberius erwiderte, er solle die Klappe halten. Claudius war wirklich ordentlich abgefüllt. Tiberius warf ihn auf sein Bett und zog ihm die Schuhe aus. Das war er gewohnt. Als er das Zimmer verließ, murmelte Claudius: »Laura, mach dir vor allem …«
    Rasch trat Tiberius an sein Bett zurück.
    »Was, Laura? Was? Was willst du ihr sagen?«
    »Bist du Laura?« lallte Claudius.
    »Ja«, flüsterte Tiberius. »Was willst du sagen?«
    »Laura … mach dir vor allem keine Sorgen …«
    Tiberius schüttelte ihn, um noch ein paar mehr Wörter aus ihm herauszubekommen, aber umsonst.

6
    Tiberius hatte sein Hemd ausgezogen und wärmte sich in der Sonne. Er vergnügte sich damit, eine Frau auf der anderen Seite der Römerstraße zu beobachten, die hinter einem Grabstein auf und ab ging. Nero liebte diesen Ausflug auf die Via Appia wegen der Gräberreihen, die ihre Böschung säumten. Claudius liebte ihn wegen der Prostituierten, die im Schatten der Grabsteine lagerten. Und er, Tiberius, mochte die Unmengen von Grillen.
    Claudius und Nero hatten sich ins Gras sinken lassen. Auf Neros Wange saß ein Insekt, und Tiberius schlug drauf.
    »Danke«, sagte Nero. »Ich hatte nicht die Kraft dazu.«
    »Geht’s noch nicht wieder besser?«
    »Nein. Und Claudius?«
    »Claudius antwortet nicht mal. Er hat einen tierischen Schädel.«
    »Was machst du da mit nacktem Oberkörper?«
    »Ich ködere die junge Frau von gegenüber«, erklärte Tiberius lächelnd.
    »Armer Idiot«, murmelte Claudius.
    »Ihr solltet euch bei Gabriella entschuldigen«, fuhr Tiberius fort. »Ihr wart gestern abend vielleicht peinlich. Richtige

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