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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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mir redest!« rief Claudius. »Ich kann nicht sehen, ob du lügst.«
    »Du ermüdest mich, mein Freund«, bemerkte Tiberiusund gehorchte. »Ich mag es nicht, wenn du so erregt bist. Was gibt es noch?«
    Claudius preßte die Lippen zusammen. So war das immer. Tiberius konnte ihn rasend machen. In den vierzehn Jahren, die sie sich kannten, seit sie gemeinsam zunächst auf der Schule, dann an der Universität gewesen waren, hatte sich das nicht gebessert. Es war sogar noch schlimmer geworden. Je älter Tiberius unter seinen Augen geworden war, desto mehr Charme und Macht hatte er gewonnen. Manchmal war das nervig. Eines Tages würde so oder so das Alter kommen und Tiberius’ kantiges Gesicht besiegen, seine langen schwarzen Prostituiertenwimpern, ja seinen ganzen Körper allmählich besiegen. Dann würde man sehen, ob Tiberius noch immer der vornehme Mann wäre, der besessene, schnelle Arbeiter, der liebevolle Beschützer seines Freundes Claudius. Man würde sehen. Aber bis dahin war es schließlich noch ein ganzes Weilchen. Claudius wandte sich vom Fenster ab, in dem sein Spiegelbild zu sehen war. Schwächlich, sagte sein Vater über ihn. Ein unregelmäßiges Gesicht mit schiefen Zügen, das er übrigens von diesem verdammten Vater hatte. Zum Glück gibt es Wunder im Leben, und zum Glück konnte er fast alle Mädchen bekommen, die er wollte, er war sich noch immer nicht darüber klar, wieso. Allerdings verwendete er auch viel Zeit darauf. Später einmal würde er außerordentlich reich sein und dadurch gewiß Zeit sparen. Das zumindest würde Tiberius immer fehlen. Tiberius war ein Habenichts. Nicht ein Franc hinter ihm und nicht einer vor ihm. Tiberius war ein Bettler. Er hatte seine Ausbildung aus eigener Kraft absolviert, indem er sie zusammenstoppelte. Meisterhaft vielleicht, aber eben durch Zusammenstoppeln. Tiberius war nicht einmal Schüler der École Française in Rom. Er, Claudius, war dank der Empfehlung seines Vaters leicht dort aufgenommen worden. Tiberius und Nero aber waren draußen geblieben. Zu zweithatten sie mit Ach und Krach ein Universitätsstipendium bekommen, das sie sich teilten und das ihnen ermöglichte, Claudius nach Italien zu begleiten. Aber Claudius wußte genau, daß seine Stiefmutter Tiberius zusätzlich noch ein bißchen Geld zusteckte, so wie früher, als er klein war. Das war sonnenklar. Man konnte sich fragen, warum er den Kerl, der ihn derart nervte, so anbetete. Er hatte nie ohne ihn sein können. Und als sie im ersten Jahr an der Universität auch noch David – Nero – kennengelernt und ihr »Triumvirat« gebildet hatten, war es noch schlimmer mit ihnen geworden, sie waren unauflöslich, unantastbar miteinander verbunden.
    Mit neunzehn Jahren war David bereits komplett verrückt, was die Sache nicht besser gemacht hatte. David hatte es herrlich gefunden, daß Claudius von Geburt an den Vornamen eines römischen Kaisers trug. Er meinte, der würde wegen seiner – schon damals großen – Unbeständigkeit in Liebesdingen gut zu ihm passen. »Wär nicht der Kaiser im Glück, wenn zu Haus er regiert’ wie im Reiche?« deklamierte er stets, wenn Claudius ihm eine neue Freundin vorstellte. Thibault hatte er daraufhin als logische Konsequenz den Namen »Tiberius« verliehen und sich selbst »seiner bösen Instinkte wegen« »Nero« getauft. Und so gehörten sie nun alle drei zu derselben Familie, unvermeidlich. Als Claudius dann für zwei Jahre ohne die anderen beiden nach Rom gehen sollte, war das ein echtes Drama. Selbst Laura hatte mittlerweile Tiberius’ wirklichen Namen vergessen: dabei war Thibault doch ein hübscher Vorname.
    Tiberius hatte das Schweigen genutzt und sich wieder an die Arbeit gemacht.
    »Du hörst mir nicht zu«, sagte Claudius.
    »Ich warte, daß du redest.«
    »Ich habe einen Brief von meinem Vater erhalten. Er kommt morgen nach Rom. Eine dringliche Angelegenheit, schreibt er.«
    »Nanu, was sucht Henri denn in Rom? Er kommt doch sonst nie, wenn es heiß ist.«
    »Natürlich liefert er mir eine kurze Erklärung, von der man nicht weiß, was sie wert ist, aber es ist völlig klar, daß er meinetwegen kommt. Er will mir die Leviten lesen und mich wieder auf die Gleise der Familienehre setzen. Das ist unerträglich. Glaubst du, er hat etwas über das schwangere Mädchen erfahren?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Du hast ihm doch nichts gesagt?«
    »Also, hör mal …«
    »Entschuldige, Tiberius. Ich weiß, daß du nichts gesagt hast.«
    »Und was schreibt er

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