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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Vaticana, in der Vitelli übrigens auch sein Arbeitszimmer eingerichtet hatte, entging ihm fast nichts. Warum kam Henri so überstürzt nach Rom? Es ergab keinen Sinn.
    »Wo hast du denn gesteckt?« fragte Gabriella und umarmte ihn. »Wir warten schon seit Jahrhunderten auf dich.«
    »Vorbereitungen für einen offiziellen Besuch im Vatikan, mein Liebling«, antwortete der Bischof.
    »Monsignore«, sagte Tiberius und gab ihm die Hand, »das Buch, das Sie mir genannt hatten, übertrifft alle meine Erwartungen. Ich habe mich seit drei Tagen hineinvertieft. Allerdings gibt es ein paar lateinische Ausdrücke darin, die ich nicht verstehe. Wenn Sie …«
    »Komm morgen bei mir vorbei. Oder nein. Sobald du in der Vaticana bist, komme ich zu dir in den großen Lesesaal. Ich will die Gelegenheit nutzen, mir die Archive wieder mal anzusehen. Du hast von dieser Geschichte gehört, Claudius?«
    »Ja, schon«, brummte Claudius.
    »Sie scheint dir kein Vergnügen zu bereiten.«
    »Ich traue meinem Vater nicht. Stimmt die Geschichte mit dem gestohlenen Michelangelo?«
    »Langsam, Claudius«, erwiderte der Bischof. »Nichts deutet darauf hin, daß er gestohlen wurde. Aber dein Vater scheint eine Ahnung zu haben, die wahrscheinlich konkreterist, als er zugeben will, und die ihn dazu treibt, nach Rom zu reisen. Schon als junger Mann hat er unter der Hitze der Stadt gelitten.«
    »Dein Vater kommt nach Rom?« unterbrach ihn Gabriella. »Einfach so? Ganz allein?«
    »Ist es denn so tragisch, wenn Henri Valhubert nach Rom kommt?« fragte Nero trotzig.
    »Nicht im geringsten«, erwiderte Vitelli. »Nur Claudius hat seine Bedenken.«
    »Sagen Sie ihm auch nichts, Monsignore?« bat Claudius. »Sagen sie ihm auch nichts von dem Mädchen?«
    »Claudius, ich höre die Beichte und trage sie nicht weiter, und sei es meinem besten Freund«, erwiderte Vitelli lächelnd. »Wenn du all das wüßtest, was ich nicht sage, würde dir der Kopf zerspringen.«
    Später am Abend versuchte es Claudius noch einmal.
    »Hat er auch Ihnen geschrieben, Monsignore? Können Sie mir seinen Brief nicht mal zeigen?«
    »Selbst wenn ich ihn hätte, würde ich ihn dir nicht zeigen, Claudius. Aber mach dir keine Sorgen, es steht nichts darin, was dich direkt oder auch nur indirekt anginge. Kannst du mir nicht vertrauen?«
    »Wann genau kommt er?«
    »Morgen früh, mit der ersten Maschine. Dann kommt er direkt zu mir in den Vatikan. Mit diesem offiziellen Besuch am Hals paßt mir das eigentlich gar nicht.«
    »Können Sie ihm nicht begreiflich machen, daß jetzt nicht der richtige Moment ist?«
    »Du weißt, daß kein Papst dieser Welt deinen Vater aufhalten könnte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Übrigens interessiert mich seine Idee ja vielleicht. Er besucht dich dann gleich am Abend in der École.«
    »Das geht nicht!« rief Nero. »Morgen abend gibt es ein Fest auf der Piazza Farnese! Da kommen alle versnobtenund dekadenten Geister Roms hin … Das darfst du nicht verpassen, Claudius!«
    »Ich werd es nicht verpassen, sei ganz beruhigt«, erwiderte Claudius dumpf. »Monsignore, sagen Sie meinem Vater, daß sein lasterhafter Sohn feiert. Wenn er das Schauspiel sehen will, soll er sich doch zu uns gesellen. Ansonsten sehe ich ihn später.«
    »Wie du willst«, bemerkte Vitelli lächelnd.
    Der Bischof stand auf, strich über seine Robe und glättete den Gürtel. Tiberius sah auf die Uhr. Lorenzo Vitelli brach immer um elf auf.
    »Aber du weißt, Claudius«, fuhr Vitelli dann fort, »daß dein Vater durchaus imstande ist, auf das Fest zu kommen. Wen glaubst du herausfordern zu müssen? Manchmal durchschaue ich Henri sehr viel besser als du. Du hast immer zu schnell eine Erklärung parat. Immer zu schnell.«
    Nachdem der Bischof gegangen war, holte Claudius eine Flasche Wein, um sich zu entspannen, wie er erklärte.
    »Entschuldige, Gabriella, aber manchmal bringt mich dein Lorenzo auf hundertachtzig.«
    »Alle bringen dich heute auf hundertachtzig«, bemerkte Tiberius.
    »Wie lange kennt Bischof Vitelli deinen Vater schon?« fragte Nero, der sich auf dem Sofa ausgestreckt hatte. Dort zog er mit dem Finger an seinem linken Augenwinkel und sah, wie sich Gabriellas interessantes Profil vor der Lampe abzeichnete.
    »Das haben wir dir doch schon gesagt«, erwiderte Claudius und schenkte sich ein Glas ein. »Magst du, Tiberius?«
    »Seit wann kennt er ihn?« wiederholte Nero.
    »Ich glaube, du mußt noch mal komplett bei Null anfangen, Claudius«, bemerkte

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