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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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erschien. Henrietta konnte sich nicht einmal mehr für ihre Näharbeit interessieren, der sie sonst immer begeistert nachging. Schließlich, nach Einbruch der Dunkelheit, hielt sie es nicht mehr aus. Sie musste das Haus verlassen.
    Henrietta machte sich auf den Weg zu Clives Haus, was sie im Allgemeinen vermied, damit die Einheimischen sich nicht die Mäuler zerrissen. Sie und Clive hatten sich immer in Sicherheit gewiegt, wenn sie sich bei den Auktionshöfen trafen, in der Annahme, die Männer, die Vieh kauften oder verkauften, würden sich mehr für das hektische Auktionsgeschäft interessieren als für Klatsch und Tratsch, aber Richard hatte diesen Mythos zerstört, als er sagte, seine Freunde hätten ihm von ihren Besuchen bei Clive berichtet.
    In ihrer derzeitigen Verfassung war es Henrietta egal, ob sie dabei gesehen wurde, wie sie Clive zu Hause besuchte. Ironischerweise hätte ihr das niemand geglaubt, schon gar nicht Richard, der davon ausging, dass ihr nichts so wichtig war wie ihr Ruf.
    Als Clive auf Henriettas Klopfen hin die Tür öffnete, war er im ersten Augenblick erschrocken, freute sich jedoch, sie zu sehen. »Henrietta, was tust du denn hier?« Er zog sie ins Haus und schloss die Tür. »Hast du dich endlich entschieden, mich morgen zu begleiten?« Clive hatte sie angefleht, am nächsten Morgen mit ihm zusammen nach Montrose Park aufzubrechen, aber sie hatte sich noch nicht festlegen wollen. Dann fiel ihm auf, dass sie keinen Koffer bei sich hatte, und seine Hoffnung schwand wieder.
    Henrietta hörte die erwartungsvolle Vorfreude in seiner Stimme, und es brach ihr beinahe das Herz. »Oh, Clive«, rief sie und warf sich in seine tröstenden Arme.
    »W as ist denn, mein Mädchen?«, sagte er und hielt sie zärtlich fest. »Hat Richard dich wieder aus der Fassung gebracht?«
    »Du hast keine Ahnung, wie sehr ich mich auf ein Leben mit dir in Montrose Park freue, Clive«, sagte Henrietta. »Ein Leben mit dem Mann, den ich aufrichtig liebe, weit weg von Mount Gambier.«
    Erleichtert drückte Clive sie an sich.
    »Aber Eliza ist noch nicht zurück«, sagte Henrietta. »Katie ist zwar nach Hause gekommen, aber sofort wieder abgefahren, und ich kann nicht von hier weg, ohne mich von ihnen zu verabschieden. Wenn du nur noch ein bisschen warten könntest …«
    Henrietta spürte, wie Clive sich versteifte, und sah, wie seine Freude in Enttäuschung umschlug.
    »Das verstehe ich, Henrietta«, sagte er leise. In Wahrheit jedoch war er die täglichen Dramen in ihrem Leben leid, die auch Auswirkungen auf sein eigenes Leben hatten. »Ich verstehe es wirklich. Aber ich halte es nicht länger aus. Du musst endlich begreifen, dass ich nicht ständig hin und her laufen und hoffen kann, nur um immer wieder zu erleben, wie meine Hoffnungen zerschlagen werden. Ich kann mich nicht länger so quälen. Entweder du liebst mich und willst mit mir zusammen sein, oder du tust es nicht. So einfach ist das.«
    Henrietta liefen Tränen über die Wangen.
    Clive bereute seine Worte augenblicklich. »Ich weiß, dass es nicht so einfach ist«, räumte er ein. »Aber so sollte es sein.«
    »Du bist immer ein wundervoller Mann gewesen, Clive«, sagte Henrietta. »V iel wundervoller, als ich verdient habe. Ich liebe dich, ich liebe dich wirklich.«
    »Aber nicht genug, um von der Macht loszukommen, die Richard über dich hat.« Es war ein Gedanke, den Clive schon so oft gehabt hatte, aber es war das erste Mal, dass er ihn laut aussprach. Zu seiner Verwunderung stellte er fest, dass es seltsam befreiend war. Endlich sah er der Wahrheit ins Auge. Er liebte Henrietta, aber sie würde Richard niemals seinetwegen verlassen, wie sehr sie es auch wollte.
    Henrietta ließ sich in einen von Clives bequemen Sesseln sinken. »All die Jahre bin ich eine Närrin gewesen«, sagte sie. »Ich hätte glücklich sein können, aber ich habe mein Leben vergeudet. Und was noch schlimmer ist, ich habe auch deines vergeudet.«
    Clive war bewegt von ihrer Aufrichtigkeit und der untypischen Offenheit. Er kniete sich vor sie hin und nahm ihre Hände in seine. »Du hast zwei schöne Töchter, Henrietta, auf die du stolz sein kannst. Du hast dein Leben keineswegs vergeudet. Und was mich betrifft – ich habe diesen Weg gewählt. Deshalb muss ich mir selbst die Schuld geben. Ich hätte mich vor Jahren von dir trennen können, aber ich konnte es nicht.«
    Henrietta blickte ihm in die Augen. Nie hatte sie ihn mehr geliebt als in diesem Augenblick. Sein Herz hatte

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