Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Tee nach oben, den sie dankbar annahm. Außerdem bot er einen willkommenen Grund, das Zimmer zu verlassen. Denn dabei anwesend zu sein, wenn man Hayward die Hose auszöge – das war für Hazels Empfinden dann doch entschieden zu viel.
Endlich kam der Arzt, ein Dr. Snowdon. Er entfernte vorsichtig Hazels Jabot von der Wunde, die sofort wieder zu bluten begann, untersuchte Hayward rasch, bestätigte Jeremys Vermutung, dass eine wichtige Ader getroffen sei, beruhigte Hazel und Wilson jedoch dahingehend, dass dies keine unbedingt tödliche Verletzung sein müsse, vorausgesetzt, man verhindere eine Entzündung der Wunde und Hayward verlöre nicht noch mehr Blut. Er öffnete seinen Arztkoffer, holte zwei Pinzetten, ein Skalpell, eine krumme Nadel und einen hellen Faden hervor, legte alles in eine Metallschale und goss Alkohol aus einer Flasche darüber. Wilson erbleichte und bat darum, den Raum verlassen zu dürfen. Der Arzt meinte: "Ich könnte allerdings jemanden gebrauchen, der mir hilft." Er musterte Hazel abschätzend. "Was ist mit Ihnen, junger Mann? Trauen Sie sich das zu? Oder sind Sie auch von der zimperlichen Sorte?"
Hazel hätte am liebsten gesagt, sie sei von der ausgesprochen zimperlichen Sorte, aber der Arzt knurrte: "Entscheiden Sie sich verdammt noch mal schnell! Entweder Sie bleiben oder Sie holen jemand anderes! Wir müssen fertig sein, bevor Seine Lordschaft zu sich kommt."
"Ich bleibe", antwortete Hazel hastig.
Daraufhin erklärte ihr Dr. Snowdon, wie sie sich in dem heißen Wasser die Hände waschen sollte, vergrößerte, ohne zu zögern, mit einem kleinen Kreuzschnitt die Wunde, pulte darin herum, fasste die verletzte Ader mit der Pinzette, trug Hazel auf, sie festzuhalten und ging routiniert daran, die Ader mit Nadel und Faden zu schließen.
Hazel schaute angelegentlich auf die Grisaillemalerei von Eros und Psyche, die über dem Türsturz zu sehen war, und bemühte sich, gleichmäßig weiterzuatmen.
"Sie können loslassen", meinte der Arzt schon nach kurzer Zeit.
Erleichtert lockerte Hazel ihren verkrampften Griff und reichte die Pinzette dem Arzt.
"Halten Sie sie bitte noch einen Moment", sagte der Arzt, "ich brauche sie noch." Er wickelte etwas Watte um die zweite Pinzette, tränkte alles in Alkohol, nahm die Pinzette aus Hazels Hand entgegen, hielt die Wunde geöffnet und tupfte mit dem Wattebausch vorsichtig darin herum. Die Watte färbte sich sogleich rot.
Der Arzt sah sich suchend um, ließ den Wattebausch nachlässig auf Haywards blutiges Hemd fallen und rief Wilson herein, der vor der Tür wartete.
"Die Verletzung sollte in einigen Minuten aufhören zu bluten", meinte er. "Die Wunde obendrüber ist nur klein. Ich nähe sie nicht, falls sich Eiter bildet, muss er heraus. Ich werde morgen wiederkommen. Falls es nötig sein wird, kann ich den Schnitt immer noch nähen. Aber ich denke, er wird sich in den nächsten Tagen von allein schließen."
Hazel fasste sich ein Herz. "Wenn Sie sagen: ‚in den nächsten Tagen‘, dann heißt das, er wird überleben?", fragte sie.
"Ich will Ihnen nichts vormachen. Es ist kritisch. Er hat viel Blut verloren. Aber die Lunge ist nicht verletzt. Wenn er diese Nacht überlebt, dann wird er es überstanden haben. Kommt drauf an, ob sein Herz das mitmacht."
Hazel nickte bedrückt.
"Fühlen Sie hier", forderte er sie auf und führte Hazels Finger in die kleine Grube auf der Daumenseite an Haywards Handgelenk. "Das ist sein Puls. Da können Sie unmittelbar fühlen, wie es ihm geht. Im Moment ist der Puls viel zu schnell und kaum zu spüren. Vergleichen Sie mal mit Ihrem eigenen."
Hazel fühlte ihren eigenen Puls. Der Unterschied war allerdings nur allzu deutlich.
"Was können wir tun?", erkundigte sich Wilson.
"Jemand sollte die Nacht bei ihm bleiben. Wenn er zu sich kommt, sollten Sie ihn ansprechen. Geben Sie ihm viel zu trinken, aber um Himmels Willen keinen schwarzen Tee oder Alkohol, weil Sie sich einbilden, das würde ihn kräftigen. Vor allem keinen Alkohol, der könnte sein Tod sein. Einfach nur Wasser, aber kochen Sie es vorher und lassen Sie es zugedeckt abkühlen. Er wird vielleicht Fieber bekommen, das ist nicht ungewöhnlich."
Wilson räusperte sich. "Sollen wir vielleicht einen Priester holen – oder jemanden von der Familie verständigen?"
Dr. Snowdon packte seine Sachen zusammen. "Es ist drei Uhr nachts", bemerkte er herb. "Wenn es ganz schlimm kommt, stirbt er rasch, ohne noch mal zu sich zu kommen und ohne Zeit, eine Beichte
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