Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Duplikat?", fragte Woodworth entgeistert. "Das wäre allerdings ziemlich bemerkenswert."
"Warum?"
"Weil Wilkinson von diesen Duellwaffen niemals mehr als nur zwei Stück angefertigt hat."
Kirby fuhr hoch. "Genau zwei?", fragte er atemlos.
"Nicht mehr und nicht weniger."
Kirby runzelte die Stirn. "Also das Dependant? Das könnte sogar sein, denn obwohl im Kasten die Mulden für zwei Degen eingebaut sind, lag nur noch eine Waffe drin – und es war unbedingt der Originalkasten, denn die Mulde war passgenau und der Kasten aus einem wertvollen Holz aus den Tropen."
Die beiden Männer blickten sich an.
"Und was schließen wir daraus?"
"Dass dieser kleine Rotzlöffel den Degen gestohlen hat", antwortete Woodworth.
Kirby blickte beunruhigt auf das zerwühlte Bettlaken.
Nur, dass dieser kleine Rotzlöffel gar kein Junge war ...
In der Kaschemme neben der Kaserne, in der die Leibgardisten sich gerne aufhielten, wurde die Tür des Hinterzimmers mit einem Krachen aufgestoßen. Auf der Stelle stand Kirby, warf einen grimmigen Blick in die Runde, fand den Hauptmann, den er gesucht hatte, trat mit großen Schritten auf ihn zu, packte ihn mit eisernem Griff vorne am Hemd, zerrte ihn grob von seinem Stuhl hoch und schlug ihm mit der Faust brutal ins Gesicht, so dass der Mann zu Boden ging. Die übrigen Soldaten waren aufgesprungen und ballten die Fäuste.
"Verzieht euch!", knurrte Kirby sie an. "Das ist eine Sache nur zwischen uns beiden."
Der Hauptmann setzte sich stöhnend auf und betastete seine Nase.
Die anderen blickten sich schweigend an und zogen sich zurück.
Kirby packte den Mann erneut roh am Hemdkragen und schleifte ihn mit sich in den hintersten Winkel des Raums.
"Mit wem hat du gemeinsame Sache gemacht?", zischte Kirby.
Der Hauptmann starrte Kirby verwirrt an. "Was?", stammelte er, "Wobei denn überhaupt?"
Ein zweiter Kinnhaken ließ ihn zurücktaumeln und rücklings auf einen Tisch fallen. Etliche Krüge kippten hinunter und gingen zu Bruch.
Kirby packte ihn grob an der Hemdbrust und hielt den Mann mit eiserner Hand niedergedrückt.
"Du hattest den Auftrag, mir den Kasten mit den Degen von Lord Hamilton Graham zu bringen!", schnaubte er. "Und als der Kasten bei mir ankam, lag nur noch eine Waffe darin! Also – wem hast du diesen Degen verkauft?"
"Niemandem!"
Kirby packte ihn und schüttelte ihn mit einer so heftigen Bewegung, dass sein Kopf auf die Tischplatte schlug.
Der Mann ächzte und versuchte mit fahrigen Bewegungen vergeblich, sich zu befreien. "Niemandem!", schrie er. Und als Kirby losließ: "Ich habe es Ihnen doch am Anfang schon gesagt: der Kasten war abgeschlossen, und es gab im ganzen Haus keinen passenden Schlüssel. Deshalb konnten wir nicht reinsehen. Wir hätten das Schloss aufbrechen müssen, aber wir haben den Kasten lieber nicht angerührt, weil er sonst vielleicht weniger wert gewesen wäre. Ich schwöre es Ihnen! So war es und nicht anders!"
Kirby gab ihn frei.
Stöhnend richtete sich der Hauptmann auf.
"Wer war noch im Haus?"
Der Mann ließ sich schwer auf eine der Bänke fallen.
"Beim ersten Mal oder beim zweiten Mal?", brummte er unwillig.
"Wie meinst du das: Wart ihr zweimal dort?"
"Ja, natürlich. Beim ersten Mal, als wir Lord Hamilton Graham verhaften sollten und er sich erschossen hat, war ich auch dabei."
"Und? Wer war im Haus?"
"Die Lady natürlich. Und eine Handvoll Leute von der Dienerschaft, ein Butler, Jones hieß er, glaube ich. Und die Kinder."
"Welche Kinder?"
"Kinder ist vielleicht falsch ausgedrückt. Sie waren schon fast erwachsen. Ein Mädchen, etwa achtzehn, neunzehn. Ziemlich groß, nicht unbedingt hübsch, eher unauffällig, mit einem altjüngferlichen Knoten. Dabei hatte sie eigentlich ganz schönes Haar: kastanienbraun. Das war noch das Ansehnlichste an ihr. Keine Figur, flach wie ein Brett. Und ein Junge. Erst dachte ich, er ist so um die vierzehn, weil er etwas kurz geraten war, ging mir kaum bis an die Brust. Aber als ich ihn ins Licht gezogen hatte, konnte ich sehen, dass er sich schon rasierte, also war er wohl eher sechzehn. Hübscher Bursche, sehnig, blond, volle Lippen, schmale Lenden." Der Hauptmann wischte sich mit dem Handrücken das Blut vom der Lippe und sagte mit schmierigem Grinsen: "Würde Ihnen auch gefallen haben, der Bengel."
Kirby lachte hart auf, als ihm aufging, was das bedeutete.
Der Marquis war abends auf eine Gesellschaft eingeladen. Obwohl er keineswegs in der Stimmung war hinzugehen, beschloss
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