Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
sie auf, ließ die Waffe sinken und warf sie ihm ungehalten vor die Füße.
"Nicht!", schrie er noch, doch da löste sich beim Auftreffen der Pistole auf dem Boden schon der Schuss und die Kugel jagte dicht neben Haywards Kopf in einen der Pfeiler auf dem kleinen Mäuerchen, das den schmiedeeisernen Zaun trug.
Der Schuss hallte als Echo wider.
Hayward hielt die Luft an.
"Sie haben gelogen!", stellte Hazel fassungslos fest.
Mit einer linkischen Bewegung seiner Schulter gestand er Verzeihung heischend seine Schuld ein. "Es war den Versuch wert", meinte er grinsend.
"Ich hätte Sie beinahe umgebracht!", schrie sie ihn an.
Aufgebracht drehte sie sich um und stiefelte wütend davon.
Aber ihre Wut behielt nicht lange die Oberhand, sondern Scham und Verzweiflung machten sich in ihr wieder breit und als sie zu ihrem Leidwesen auch noch feststellen musste, dass ihre Ortskenntnis nicht groß genug war, als dass sie über die Felder zurück nach Greystoke Hall hätte finden können, schossen ihr die Tränen dann doch in die Augen und sie sank hinter einem Gebüsch schluchzend ins Gras.
Als ihre Tränen endlich versiegt waren, musste sie erkennen, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als zurück auf den Fuhrweg zu gehen.
Es dauerte nicht lange und Hayward hatte sie mit dem Wagen eingeholt. Er ließ die Pferde im Schritt neben ihr gehen. Hazel blickte grollend nach vorne, fest entschlossen, seine Anwesenheit stur zu ignorieren.
"Machen Sie sich nicht lächerlich", meinte Hayward schließlich. "Der Weg ist weiter, als Sie denken. Steigen Sie auf!", und damit ließ er die Pferde anhalten.
Es war einigermaßen heiß und Hazel, die jetzt schon ziemlichen Durst verspürte, wusste, dass er recht hatte. Er hatte auf dem Hinweg ein ziemlich scharfes Tempo angeschlagen und sie waren sicherlich noch meilenweit von Greystoke Hall entfernt.
Zaudernd blieb sie stehen.
"Nun kommen Sie schon", meinte er, "lassen Sie uns Frieden schließen", und als Hazel immer noch zögerte: "dann eben Waffenstillstand, aber steigen Sie endlich auf!"
Hazel gab sich einen Ruck, packte den Haltegriff und schwang sich hinauf auf den zweiten Sitz. Hayward fuhr an, bückte sich zwischen seine Füße und beförderte den Picknickkorb zu Tage, in dem sich neben etwas Proviant auch zwei Flaschen befanden. "In der grünen ist Wein, in der braunen Wasser", sagte er, ohne Hazel anzusehen, "trinken Sie, wonach Ihnen mehr ist. Aber waschen Sie sich das Gesicht ab, bevor wir die nächste Ortschaft erreicht haben. Man sieht, dass Sie geweint haben."
Hazel nahm rasch die braune Flasche und goss sich peinlich berührt etwas Wasser in die hohle Hand, um es sich ins Gesicht zu klatschen. Mit dem Zipfel ihres Krawattentuchs wischte sie sich trocken. Ihre Krawatte hatte nun auch noch Flecken in der Farbe des hellen Lehmbodens, dessen Staub sich auf ihr Gesicht gelegt hatte. Sie nahm mehrere Schluck Wasser.
"Hunger?", fragte er.
Aber allein die Vorstellung, jetzt etwas zu essen, hinterließ bei ihr ein flaues Gefühl.
"Sie fechten gar nicht schlecht", meinte Hayward. "Von wem haben Sie das gelernt?"
"Von meinem Vater", erwiderte sie abweisend.
"Und wer ist Ihr Vater?", erkundigte er sich zuckersüß.
"Der verstorbene Mr. Errol Hawthorne!", gab sie schnippisch zurück.
"Errol Hawthorne!", schnaubte er. "Nie gehört! Sie verfügen da über ein paar kleine, raffinierte Tricks, die eindeutig beweisen, dass Sie einen erstklassigen Lehrmeister hatten. Ein Mann mit solchen Fähigkeiten wäre weit über die Grenzen seines kleinen Landsitzes hinaus berühmt geworden. Und Sie wollen mir weismachen, dass irgendein unbekannter Mr. Errol Hawthorne Ihnen das Fechten beigebracht hat."
"Ich glaube, mein Vater hat es als junger Mann in Florenz bei Emilio di Lago gelernt."
Hayward warf ihr einen Seitenblick zu. "Na also, da kommen wir der Sache schon näher", meinte er.
Sie zockelten eine Weile schweigend vor sich hin. Hayward ließ die Zügel schleifen, er schien es mit der Heimkehr keineswegs eilig zu haben.
"Und?", fragte er plötzlich, "wollen wir überall herumerzählen, dass wir mit Mr. Hayward ein kleines Duell hatten?"
Hazel blickte ihn ebenso erstaunt wie abweisend an.
"Gut", erwiderte er ruhig, "dann einigen wir uns also darauf, dass wir darüber absolutes Stillschweigen bewahren."
Hazel erwiderte nichts. Sie brachte es nicht fertig, sich bei diesem arroganten Widerling für dieses freundliche Angebot auch noch zu bedanken.
Er schaute sie von der Seite her
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